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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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Doch im Taxibüro mußte ich erfahren, daß die Fahrer häufig keine Quittungen ausstellen. Es ist also unmöglich, auf diesem Weg ihre Aktivitäten zu überprüfen. Tatsächlich hatte eine ganze Menge von Fahrern überhaupt keine Quittungen für die ganze Nacht; auf diese Weise entgehen sie der Steuer.«
    »Einen Augenblick, Genosse Hauptwachtmeister Yu«, unterbrach ihn Kommissar Zhang. »Haben Sie denn auch bezüglich der politischen Aspekte dieses Falles ermittelt?«
    »Na ja, was die politischen Aspekte betrifft: Ich sehe schlichtweg keine. Der Mörder hat Guan doch gar nicht gekannt. Sie mußte sich dem Taxifahrer doch nicht vorstellen. Möglicherweise weiß er noch immer nicht, wer sein Opfer wirklich war.«
    »Was schlagen Sie also für die nächste Phase der Ermittlungen vor?« fuhr Zhang fort, ohne seine Haltung oder seinen Gesichtsausdruck zu verändern.
    »Momentan haben wir keine Beweise und keine Zeugen«, sagte Yu. »Deshalb können wir auch nicht sehr viel tun. Am besten wäre es, den Fall seinen Lauf nehmen zu lassen. Ein Vergewaltiger ist ein Wiederholungstäter, früher oder später wird er wieder zuschlagen. In der Zwischenzeit halten wir weiterhin engen Kontakt zur Taxizentrale und den Reisebüros und hoffen auf neue Hinweise. Im Taxibüro hat man mir versprochen, eine Liste von möglichen Verdächtigen zusammenzustellen, also den Fahrern, die eine verdächtige Vergangenheit haben. Diese Liste steht noch aus.«
    »Also tun wir im Grunde nichts, bis der Verbrecher erneut zuschlägt?«
    »Nein, wir werden den Fall nicht als ungelöst zu den Akten legen. Ich meine aber, daß – hm, daß es nicht realistisch ist, eine rasche Lösung zu erwarten. Irgendwann werden wir den Mörder finden, aber das kann dauern.«
    »Wie lange?« fragte Zhang und setzte sich noch aufrechter hin.
    »Das weiß ich nicht.«
    »Es ist ein wichtiger politischer Fall, Genosse. Darüber müssen wir uns alle im klaren sein.«
    »Nun …« Yu stockte.
    Er hätte noch eine ganze Menge sagen wollen, aber er wußte, daß dies nicht der richtige Zeitpunkt war. Oberinspektor Chen hatte sich bislang noch nicht geäußert. Und letztlich verstand er ja auch die Position des alten Kommissars. Möglicherweise war dies sein letzter Fall, und deshalb wollte er ihn verständlicherweise so groß wie nur möglich aufblasen, ihm immense politische Bedeutung zumessen – die Krönung seiner langen Berufslaufbahn. Allerdings konnte Zhang leicht über Politik daherreden, er mußte sich schließlich nicht um den täglichen Kleinkram der Abteilung kümmern.
    »Vielleicht ist ja was dran an der Analyse des Genossen Yu.« Zhang erhob sich und schlug sein Notizbuch auf. Dann räusperte er sich und begann mit seinem offiziellen Vortrag. »Es ist ein schwieriger Fall. Er mag uns Stunden um Stunden kosten, ohne daß wir einen echten Fortschritt sehen. Aber es ist kein gewöhnlicher Fall, Genossen. Guan war eine Modellarbeiterin, eine nationale Berühmtheit. Sie widmete ihr ganzes Leben der kommunistischen Sache. Ihr tragischer Tod hat sich bereits sehr negativ ausgewirkt. Ich bin ein pensionierter alter Mann, und dennoch bin ich hier und arbeite mit euch zusammen. Warum? Es ist ein besonderer Fall, den die Partei uns übertragen hat. Das Volk beobachtet unser Tun. Wir dürfen nicht versagen.«
    Yu hatte genug von diesem Geschwätz. Er konnte sich kaum mehr auf den Vortrag des Kommissars mit all seinen rhetorischen Phrasen konzentrieren. Bei den regelmäßig im Präsidium stattfindenden Sitzungen zur politischen Bildung schaffte Yu es manchmal, sich von der Stimme des Redners einlullen zu lassen und ein paar Meditationsübungen zu machen. An diesem Morgen gelang es ihm nicht.
    Dann erging das Wort an Oberinspektor Chen. »Kommissar Zhangs Unterweisungen sind sehr wichtig. Und die Analyse des Genossen Hauptwachtmeister Yu ist ziemlich schlüssig. Es ist nicht leicht, vor allem, weil wir so viele andere Fälle bearbeiten müssen. Der Genosse Yu hat viel getan, das meiste, würde ich sagen. Ich übernehme die Verantwortung dafür, daß wir bislang so wenige Fortschritte gemacht haben. Etwas ist mir jedoch noch aufgefallen, und auch die Analyse des Genossen Yu rückt diesen Punkt ins Blickfeld:
    Laut Autopsiebericht hat Guan etwa ein bis zwei Stunden vor ihrem Tod noch etwas gegessen, und zwar unter anderem eine kleine Portion Kaviar. Kaviar, teurer, russischer Stör-Kaviar. In Shanghai gibt es nur etwa drei bis vier Restaurants der Spitzenklasse, in denen

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