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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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also noch früher anrufen können, etwa um drei, falls Sie zufällig zu dieser Zeit aus Ihrem Bett geplumpst wären.«
    »Mir ist gerade etwas eingefallen. Im Restaurant Pfirsichblüten wird wieder Frühstückstee serviert. Sie wohnen doch ganz in der Nähe. Wie wär’s, wenn wir dort zusammen Tee trinken würden?«
    »Nur Tee?«
    »Sie wissen doch, daß es dazu noch einiges andere gibt – dimsum, also Tee im Guangdong-Stil, mit delikaten Kleinigkeiten aller Art.«
    »Ich muß heute einen Artikel abliefern. Nach einer vollen Mahlzeit bin ich immer etwas schläfrig, selbst vormittags um zehn. Aber Sie können mich auf dem Bund treffen, in der Nähe des Docks Nr. 7, gegenüber dem Hotel Peace. Dort mache ich immer Tai-Chi.«
    »Bund, Dock Nr. 7, kenne ich«, sagte er. »Schaffen Sie es in einer Viertelstunde?«
    »Ich liege noch im Bett. Soll ich Ihnen barfuß entgegenrennen?«
    »Warum nicht? Also dann in einer halben Stunde!« Er legte den Hörer auf.
    »Barfuß kommen« war eine Anspielung auf eine Geschichte aus der klassischen chinesischen Literatur. 800 v. Chr. wollte der Herrscher von Zhou unbedingt einen weisen alten Mann treffen, der ihm helfen sollte, das Land zu vereinen. Bei dessen Ankunft rannte er ihm barfuß aus seiner Halle entgegen. Später wurde mit diesem Satz gern darauf hingewiesen, daß jemand sehr erpicht sei, einen Gast zu empfangen.
    Auf dem Bund wimmelte es von Menschen: Sie saßen auf den Zementbänken, sie standen am Flußufer und beobachteten die dunkelgelben Wellen, sie sangen Passagen aus Peking-Opern, begleitet von den Vögeln in ihren Käfigen, die die Besitzer an die Bäume gehängt hatten. Ein Hauch von Maihitze wehte über den mit bunten Steinen gepflasterten Gehweg. Vor den Buden in der Nähe des Brückenparks, in denen die Karten für die Ausflugsdampfer verkauft wurden, bildeten sich lange Touristenschlangen. Bei der Lujiazhui-Fähre sah er einen stämmigen Matrosen Taue entwirren; ein paar Studenten sahen ihm neugierig zu. Das Boot wirkte wie immer ziemlich voll; dumpf ertönte die Glocke, und die Menschen wurden zu ihren Zielen transportiert und dann weiter zu neuen Zielen. Der Fluß sollte demnächst untertunnelt werden, damit die Menschen auch auf andere Weise ans andere Ufer gelangen konnten. Über dem Fluß kreisten ein paar Sturmvögel. Ihre Flügel glitzerten weiß im Licht der Sonne, sie wirkten, als kämen sie geradewegs aus einer Kalenderillustration herausgeflogen. Der Fluß war zwar noch immer ziemlich verschmutzt, doch man sah, daß er allmählich wieder sauberer wurde.
    Vorfreude beschleunigte seine Schritte.
    Gruppen von Menschen machten ihre Tai-Chi-Übungen am Bund, und in einer dieser Gruppen entdeckte er Wang.
    Eines der ersten Dinge, die ihm auffielen, war der lange grüne Rock, der ihre Füße bedeckte. Nacheinander nahm sie verschiedene Stellungen ein: der weiße Kranich, der mit den Flügeln flattert, der Meister, der die Laute erklingen läßt, das wilde Pferd, das seine Mähne schüttelt, der Jäger, der einen Vogel am Schwanz erhascht. All diese Bewegungen waren der Natur entlehnt, das war der Kern dieser Lehre.
    Als er sie so beobachtete, überkam ihn ein etwas zwiespältiges Gefühl. Gegen Tai-Chi war an sich nichts einzuwenden. Es war Teil eines alten kulturellen Erbes und folgte der taoistischen Philosophie, in der dem Yin-Yang-Prinzip gemäß das Weiche das Harte besiegt. Auch Chen hatte diese Übungen eine Weile gemacht, um sich körperlich fit zu halten. Doch jetzt störte ihn die Tatsache, daß sie die einzige junge Frau in ihrer Gruppe war. Ihr schwarzes Haar war mit einem blauen Baumwollschal zurückgebunden.
    »Hallo!« begrüßte er sie.
    »Warum schauen Sie so komisch?« fragte Wang, als sie zu ihm herüberkam. Sie trug weiße Turnschuhe.
    »Eine Sekunde lang war mir, als würden Sie geradewegs aus einem Tang-Gedicht heraustreten.«
    »Ach, Sie schon wieder mit Ihren Zitaten und Interpretationen! Steht heute morgen ein Literaturkritiker oder ein Polizeibeamter vor mir?«
    »Na ja, eigentlich machen nicht wir die Interpretationen, sondern wir werden interpretiert – Kritiker oder Polizist, das liegt bei Ihnen.«
    »Wenn ich es recht verstehe«, sagte sie lächelnd, »dann ist das so ähnlich wie bei den Tuishou-Übungen, stimmt’s? Es ist nicht so, daß wir Tuishou machen, sondern die Übung macht uns.«
    »Dekonstruktion ist Ihnen nicht fremd.«
    »Und Sie sind gut im Verfassen poetisch dekonstruktiven Unsinns.«
    Dies war ein weiterer

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