Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen

verborgene Leidenschaft, die sich als wild und
ungestüm erweisen würde, wenn sie zum Ausbruch kam.
    Brigham schüttelte den Kopf. Du
bildest dir das alles nur ein, dachte er. Lydia war zäh und stark, doch die
Koketterie, das Feingefühl und Feuer, das eine echte Frau ausmachte, war längst
ausgelöscht worden durch all das Schreckliche, das sie während des Kriegs
mitangesehen hatte.
    Wenn du vernünftig wärst, sagte er
sich grimmig, würdest du ihr einen Scheck ausschreiben, sie aufs nächste Schiff
setzen und vergessen, daß sie je existiert hat.
    Er lächelte ganz unbewußt und
wischte sich mit dem Hemdsärmel den Schweiß von den Augenbrauen. Dann packte
er die Säge mit neuer Kraft und begann sich dem Rhythmus seines Partners
anzupassen. Typisch Devon, die frechste kleine Yankeegöre, die Neuengland je
hervorgebracht hatte, mit nach Hause zu bringen, und ihm zu überreichen wie
eine Ansichtskarte von einem fernen Ort!
    Sein Partner stieß einen Warnschrei
aus, aber Brigham war so unkonzentriert, daß er dem stürzenden Baum erst im
allerletzten Moment auswich. Mit einem donnernden Geräusch prallte er auf den
Boden, der für einen Moment unter Brighams Stiefeln erzitterte.
    »Verdammt, Brig« rief sein Partner
und deutete wütend auf den umgestürzten Baum. »Das war meine beste Säge, und
jetzt liegt sie unter dem Baum begraben!«
    Wieder wischte Brigham sein Gesicht
ab. Er hätte gern das Hemd ausgezogen und mit nacktem Oberkörper gearbeitet,
aber das war zu gefährlich; die Äste eines umstürzenden Baums, konnten einem
Mann die Haut aufreißen wie die Spitze eines scharfen Schwerts. »Hör auf
herumzumeckern und versuch, sie herauszuziehen«, sagte er barsch. Es war
jedoch nicht Zeb, auf den sich sein Zorn richtete; er war wütend auf sich
selbst, weil er eins seiner eigenen Gesetze gebrochen hatte: Ein Mann sollte
niemals an Whiskey, Essen oder Frauen denken, wenn er in den Wäldern arbeitete,
denn das konnte ihn oder einen seiner Kameraden das Leben kosten.
    Zeb, ein hagerer junger Mann aus
Südkarolina, kroch ins Gebüsch, 'um seine Säge unter dem Stamm hervorzuzerren.
    Als Brigham sich zum Gehen wandte,
entdeckte er hinter sich Jack Harrington, seinen linkischen, nervösen
Buchhalter. Die runde Brille des jungen Mannes war ihm bis auf die Nasenspitze
gerutscht, hinter seinem rechten Ohr klemmte ein Bleistift, und er hielt einen
Block an seine Brust gepreßt, als handelte es sich um eine Bibel.
    »Verdammt, Harrington, schleichen
Sie sich nicht von hinten an mich ran! Wenn ich eine Axt in der Hand gehalten
hätte, sähen Sie jetzt schlecht aus!«
    Harrington zitterte in seinem
billigen Anzug, und Brig fragte sich, warum dieser junge Bursche keine geölten
Leinenhosen, Arbeitsstiefel, Hosenträger und Baumwollhemden trug wie alle
anderen. »Ich bin wegen Miss Lydia McQuire hier«, sagte er. »Mistress Chilcote
sagte mir, sie hätten diese Frau als Gouvernante eingestellt, aber ich finde
keine schriftliche Kopie Ihrer Ernennung.«
    Eines derartigen Versehens wegen ist
Harrington imstande, die ganze Nacht kein Auge zuzutun, dachte Brigham mit
einem Anflug von Mitleid. »Das liegt daran, daß ich noch nicht sicher bin, ob
ich Miss McQuire auf die Gehaltsliste setzen oder ihr eine Schiffspassage
zurück nach San Francisco kaufen soll. Ich gebe Ihnen Bescheid, sobald ich mich
entschieden habe.«
    »Ich weiß nicht, Sir«, widersprach
Harrington tapfer. »Ich liebe solche Unklarheiten nicht. Man sollte derartige
Entscheidungen nicht zu lange aufschieben.«
    Brigham seufzte. »Bevor ich Ihnen
eine Antwort gebe, muß ich noch einmal mit der jungen Dame sprechen.«
    »Will sie denn bleiben?«
    »Keine Ahnung«, entgegnete Brigham
schmunzelnd. »Wer weiß, ob sie nicht längst zum erstbesten Boot hinausgeschwommen
ist, während wir hier verhandeln.«
    Harrington blinzelte verwirrt,
strich in einer fahrigen Geste über sein glatt anliegendes Haar und sagte: »Oh.
Sie scherzen, Sir. Das war sehr witzig. In der Tat — sehr witzig.«
    Brigham verdrehte die Augen. »Haben
Sie nichts anderes zu tun, als mir auf die Nerven zu gehen?« brummte er. »Reden
Sie selbst mit Miss McQuire, und fragen Sie sie, ob sie als Gesellschafterin
meiner Töchter bleiben will. Bieten Sie ihr einen Dollar in der Woche,
einschließlich Unterkunft und Beköstigung.«
    Der junge Mann nickte glücklich und
machte sich eilig davon. Harrington war nie zufrieden, solange er nicht irgendeine
Krise zu lösen hatte, aber er war ein guter