Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen
sagte sie nach langem
Schweigen.
Die junge Frau schluckte. »Ich liebe
Devon l« stieß sie in ersticktem Ton hervor.
Im ersten Moment verspürte Lydia
Erleichterung, dann sah sie die Qual in Pollys Augen. »Ist das denn so
schlimm?« fragte sie. »Er ist Ihr Mann.«
Polly erschauerte. »Nein«, sagte
sie. »Es war nur ein Trick.«
Lydia saß wie versteinert da und
starrte Polly an. »Ein Trick?« wiederholte sie betroffen, als sie wieder Worte
fand.
Polly sprang auf und lief aus einem
plötzlichen Entschluß heraus zum Schrank, um wahllos Unterwäsche und Kleidungsstücke
herauszuzerren. Einen schrecklichen Moment lang glaubte Lydia, Polly wollte
ihre Koffer packen, um Quade's Harbor und Devon für immer zu verlassen.
»Polly, was meinten Sie, als Sie
sagten, es sei nur ein Trick gewesen?«
Die frischgebackene Mistress Quade
verschwand hinter einem Wandschirm. »Ich hätte nicht einmal das verraten dürfen«,
murmelte sie und spähte um die Spanische Wand herum. »Sie werden doch Devon
oder seinem Bruder nichts davon erzählen ?«
Lydias Verwirrung begann,
gefährliche Ausmaße anzunehmen. »Devon Quade ist ein feiner Mensch, Polly.
Falls Sie ihn in irgendeiner Weise verletzen, werden Sie eine Feindin in mir
haben.«
Wieder spähte Polly um den
Wandschirm herum. Diesmal waren ihre Augen schmal. »So! Ich rate Ihnen, die
Finger von meinem Devon zu lassen — sonst reiße ich Ihnen die Ohren ab!«
Doch so leicht war Lydia nicht
einzuschüchtern. »Ist er wirklich Ihr Devon?« beharrte sie.
Wieder verzog sich Pollys hübsches
Gesicht, und Tränen flossen. »Ich liebe ihn, das schwöre ich!«
»Aber Sie haben ihn auf irgendeine
Weise hintergangen«, wandte Lydia ein. »Was ist in San Francisco geschehen?«
Polly trat hinter dem Wandschirm
hervor. Sie trug ein grünes Kleid, das auf vorteilhafte Weise ihr dunkles Haar
und ihre zarte helle Haut betonte. Als sie Lydia in einer stummen Aufforderung
den Rücken zudrehte, begann diese, die Knöpfe an ihrem Kleid zu schließen.
»Nat Malachi — das ist der Mann, mit
dem ich zusammen war, seit ich nach San Francisco kam — hatte sich ein
einträgliches Geschäft mit mir aufgebaut. Er gab sich als Prediger aus und tat
so, als verheiratete er mich mit einem Bergmann oder Holzfäller, denen ich dann
die Brieftasche stahl — später, wenn sie schliefen. Mit Devon hatten wir das
gleiche vor, aber ... als er mich berührte, änderte sich plötzlich etwas. Ich änderte mich.«
Lydia war fassungslos. In billigen
Groschenheften hatte sie von derartigen Machenschaften gelesen, aber sie war
noch nie jemandem begegnet, der so etwas wirklich tat. Einen langen Moment
starrte sie Polly nur verwundert an.
»Sie müssen Devon alles erzählen«,
sagte sie schließlich. Polly schüttelte wild den Kopf. »Nein! Und Sie sagen es
ihm auch nicht. Er würde mich hinauswerfen.«
Das konnte Lydia sich kaum
vorstellen, obwohl sie annahm, daß Devon zutiefst verletzt sein würde, wenn er
die Wahrheit erfuhr.
Polly packte Lydia an den Schultern.
»Sie werden kein Wort von dem verraten, was ich Ihnen erzählt habe!« forderte
sie erregt.
Lydia schüttelte Pollys Hand ab und
richtete sich auf. »Ich kann nicht versprechen, daß ich nichts sagen werde«,
entgegnete sie kühl. Und sie stellte fest, daß sie einen völlig unpassenden
Triumph bei der Erkenntnis empfand, daß Devon letzten Endes doch noch
unverheiratet war. Doch dieses Gefühl war nicht von Dauer, denn Lydia wußte nur
zu gut, daß Devon Polly liebte. Das war nur zu offensichtlich.
Pollys braune Augen füllten sich mit
Tränen. »Allmächtiger«, flüsterte sie gebrochen. »Er wird mir nie verzeihen!«
Lydia wußte nicht, inwieweit das
stimmte oder nicht. Mit der Absicht, Polly ein wenig zu trösten, berührte sie
ihren Arm und ging leise hinaus.
Der Glanz dieses schönen Tages war
nun getrübt, und Lydia hatte nur noch den einen Wunsch, sich auf ihr Zimmer
zurückzuziehen. Aber einer ihrer wichtigsten Grundsätze besagte, daß sie sich
gerade dann nicht vor der Welt verbergen dürfte, wenn es sie am meisten danach
verlangte.
Sie holte sich einen Schal, weil
eine leichte Brise aufgekommen war, und verließ das Haus. Um Brigham nicht zu
begegnen, mied sie die Sägemühle und sein Büro. Und da sie sich nach allem,
was sie jetzt wußte, auch nicht imstande fühlte, Devon gegenüberzutreten, hielt
sie sich auch von seinem Bauplatz entfernt.
Ein schmaler Pfad hinter dem Haus
führte durch ein Wäldchen aus Kiefern, Zedern,
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