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Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen

Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen

Titel: Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
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erfüllte sie auch mit einem gewissen Mißtrauen. Sie hatte
gesehen, was unaufhörliche Forderungen anderer einem Menschen antun konnten,
ob diese Forderungen nun gerechtfertigt waren oder nicht. Geben war schön, sich
um andere zu kümmern, eine noble Aufgabe — aber auch die Seele des Gebenden
durfte nicht ohne Nahrung bleiben.
    »Sie wissen vermutlich, daß Polly
fort ist«, sagte Lydia, weil sie annahm, daß Mistress Chilcote ohnehin über
alles Bescheid wußte, was in diesem Haushalt vorging.
    Und tatsächlich nickte die alte Dame
seufzend. »Ja. Ich sah, wie sie das Postboot bestieg, aber ich kann mir nicht
erklären, warum sie ihren Mann so plötzlich verlassen hat.«
    Lydia schwieg. Falls Persephone es
wirklich nicht wußte was angesichts ihrer Klugheit sehr unwahrscheinlich war würde
es nicht die neue Gouvernante sein, die es ihr erzählte.
    Mistress Chilcote musterte Lydia
gedankenvoll. »Ich würde mich freuen, wenn Sie mich >Persephone< nennen
würden«, sagte sie unvermittelt. »Wissen Sie, was der Name bedeutet?«
    Lydia schüttelte den Kopf.
    »Er stammt aus dem Griechischen,
meine Liebe, und bedeutet >Die Verkörperung des Frühlings<.«
    Lydia lächelte. »Sehr hübsch.« Frühling. Wie schön, wie beruhigend, an diesem Ort zu sein, wo die Luft nicht nach
Schießpulver und Angst roch, wo kein Blut das Gras tränkte und keine Schreie
und keine Kanonen das Ohr betäubten . .
    »Warum so traurig?« fragte
Persephone und beugte sich auf eine Weise zu Lydia vor, die ihr verriet, daß
die alte Dame sich nicht mit Ausflüchten abspeisen lassen würde. »Sie sind erst
zwanzig Jahre alt, und doch verrät sich schon der Gram von tausend Jahren Leid
in Ihren Augen!«
    Verblüfft über die Offenheit der
alten Dame, wandte Lydia den Kopf ab. Ihre Augen brannten. »Wenn ich einmal
sterbe«, erwiderte sie rauh, »wird Gott keinen Anlaß sehen, mich in die Hölle
zu verbannen, so schlimm meine Sünden auch sein mögen. Denn ich war bereits
dort und habe dem Teufel die Hand geschüttelt.«
    Bei der Erwähnung des gefürchtetsten
aller gefallenen Engel schnappte Persephone nach Luft, aber sie streckte auch
die Hand aus und legte sie über Lydias eiskalte Finger. »Sagen Sie mir, was Sie
damit meinen, Kind«, befahl sie ruhig. »Sind Sie auch in diesen furchtbaren
Krieg hineingezogen worden?«
    Lydia befeuchtete ihre Lippen. »Wer
nicht?« antwortete sie betrübt, und dann begann sie plötzlich, dieser sanften
und doch so charakterstarken Frau alles zu erzählen. Stockend berichtete sie
der alten Dame, wie sie ihrem Vater in den Krieg gefolgt war und was sie erlebt
hatte, beschrieb die schmutzigen Zelte, die vom Blut der Verwundeten gefärbten
Schlammpfützen und das häßliche Kreischen der Sägen, wenn sie menschliche
Knochen durchschnitten. Und dann, stockend, aber ohne irgend etwas zu
beschönigen, erzählte sie zum ersten Mal seit jener Zeit einem anderen Menschen
von Captain J. D. McCauley, dem Gefangenen aus der Südstaatenarmee, dem sie
zur Flucht verholfen hatte.
    Doch Persephone wirkte keineswegs
schockiert, sondern höchstens mitfühlend. »Haben die Yankees diesen Captain
McCauley wieder eingefangen?« erkundigte sie sich besorgt.
    Lydia schüttelte den Kopf; die bloße
Erinnerung an diese Episode drehte ihr den Magen um, und ihre Haut wurde klamm
vor kaltem Schweiß. Sie hatte Unionssoldaten hängen sehen für den Versuch zu
desertieren, und das Bewußtsein, daß auch ihr Verrat entdeckt und sie dafür
hingerichtet werden konnte, hatte sie während des gesamten Krieges nicht mehr
zur Ruhe kommen lassen. »Nein, ich bin sicher, daß er entkommen ist.«
    »Warum haben Sie das getan?« fragte
Persephone, aber es lag keine Anklage in ihrer Stimme, nur aufrichtiges
Interesse.
    »Weil die Regierung für jede
Amputation eine Prämie an den Chirurgen zahlte«, erwiderte Lydia und spürte
noch heftigere Übelkeit in sich aufsteigen. »Eines Nachts, kurz nachdem mein
Vater gestorben war, brachten die Wachen Captain McCauley ins Lazarett. Er
hatte nur eine leichte Fleischwunde in seinem linken Arm, es hätte genügt, die
Wunde zu nähen und ihn in eins der Gefangenenlager zu schicken. Aber Dr. James
Steenbock beschloß, ihm den Arm abzunehmen und die Prämie zu kassieren. Ich
brachte Captain McCauley die Uniform meines Vaters und verriet ihm, wo ein unbewachtes
Pferd zu finden war. Dann lenkte ich die Wachen ab, damit er ungehindert aus
dem Lager reiten konnte.«
    Persephones Augen glänzten, und
Lydia glaubte

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