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Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen

Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen

Titel: Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
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plötzlich zu wissen, von wem Charlotte ihre Vorliebe für
dramatische Erzählungen hatte. »Das war ausgesprochen heldenhaft von Ihnen,
Lydia!« rief die alte Dame bewundernd aus. »Aber hat Sie denn niemand
verdächtigt, daß Sie dem Gefangenen geholfen haben könnten?«
    »Doch, Steenbock schon«, entgegnete
Lydia bitter. »Da er mir jedoch nichts beweisen konnte und die anderen
Chirurgen dringend meine Hilfe am Operationstisch brauchten, erhob niemand
Anklage. Etwa eine Woche später wollte Dr. Steenbock einem jungen Mann aus
Kentucky ein Bein abnehmen, das nur genäht und geschient zu werden brauchte. Da
ging ich zu einem der anderen Ärzte und sagte ihm, was geschehen würde, und er
untersuchte den Fall. Dr. Steenbock wurde seines Postens enthoben und in eins
der Gefangenenlager geschickt, um nach dem Krieg vor Gericht gestellt zu
werden.«
    Persephone war blaß geworden und
schaute Lydia aus großen Augen an. »Wußte er, daß Sie es waren, die ihn
entlarvt hatte?«
    Lydia nickte stumm. Sie würde nie
vergessen, wie Steenbock sie am Tag seiner Verhaftung im Operationszelt
angesehen hatte — mit einem Blick, der seine ganze bodenlose Schlechtigkeit
verriet und eine stumme Drohung zu beinhalten schien.
    In ihren schlimmsten Alpträumen
stand er manchmal am Fuß ihres Betts, das Skalpell in der Hand, und wie die
unzähligen Soldaten, die er ihrer Arme oder Beine beraubt hatte, war auch Lydia
unfähig, ihm zu entkommen, unfähig, sich zu bewegen. Und immer, wenn sie aus
diesem Traum erwachte, saß ein Schrei des Entsetzens in ihrer Kehle, den sie
jedoch jedesmal so entschlossen unterdrückte wie ihre Angst und ihre Erinnerungen.
    Die Tränen, die sie selbst nie
vergossen hatte, glitzerten in Persephones Augen, die alte Dame streckte die
Hand aus und zog Lydia an sich. »Sie brauchen keine Angst zu haben, das liegt
jetzt alles hinter Ihnen«, sagte sie tröstend. »Niemand wird Ihnen hier etwas
antun, unter Brighams Dach sind Sie sicher. Jeder, der meinen Neffen kennt,
würde sich eher auf einen Kampf mit der großen Säge im Werk einlassen, als sich
mit Brigham anzulegen!«
    Lydia wußte, wie stark und mächtig
Brigham war, aber sie wollte sich weder von seinem Schutz noch von irgend etwas
anderem, das er ihr geben konnte, abhängig machen. Denn wenn es ihm irgendwann
einfallen sollte, sie fortzuschicken, würde sie sich nicht nur wieder allein in
einer feindlichen Welt befinden, sondern auch noch geschwächt sein, weil sie
ihre Unabhängigkeit aufgegeben hatte. »Ich bin selbst imstande, auf mich
aufzupassen«, entgegnete sie freundlich, aber bestimmt.
    »Aber Sie haben trotzdem vor, eine
Zeitlang hierzubleiben?« fragte Persephone rasch.
    Lydia nickte. Sie bezog ein gutes
Gehalt und verfügte über einen sicheren Platz zum Schlafen und genug zu essen.
»Solange man mich hier haben will«, erwiderte sie.
    Persephone strahlte. »Wunderbar!
Dann sehe ich nicht ein, warum ich meiner lieben Schwester Cordelia in Maine
keinen Besuch abstatten sollte!« rief sie begeistert, stand auf und öffnete
die Vorhänge, um die letzten nachmittäglichen Sonnenstrahlen hereinzulassen.
Von ihrer Migräne schien sie auf wundersame Weise kuriert zu sein.

Sieben
    Einer geht, und andere kommen, dachte
Lydia einige Tage später, als sie einen bärtigen Mann über die Rampe des
Postboots an Land kommen sah. Eine schwächlich wirkende, magere Frau folgte
ihm, an jeder Hand ein kleines Kind.
    Lydia war begeistert, denn nun würde
endlich eins der sechs kleinen Häuser bezogen werden, und eins der Kinder, ein
Mädchen mit glänzenden schwarzen Zöpfen, war alt genug, die Schule zu
besuchen. Das andere Kind, ein kleiner Junge in kurzen Hosen, war kaum aus den
Windeln heraus.
    Charlotte und Millie begleiteten
Lydia. Sie waren zum Strand heruntergekommen, um Krebse und andere kleine
Meerestiere zu suchen und sie anhand von Bildern aus einem Naturkunde-buch, das
Lydia in Brighams Bibliothek gefunden hatte, zu identifizieren.
    »Leute!« flüsterte Millie
beeindruckt, als hätte sie bis zu diesem Augenblick noch nie ein anderes
Menschenwesen erblickt.
    Charlotte warf ihr einen
herablassenden Blick zu. »Natürlich sind es 'Leute', du Schafskopf«, sagte
sie. »Was sonst?«
    Lydia bemühte sich, den beginnenden
Streit zwischen den Schwestern zu schlichten.
    »Das Mädchen muß in meinem Alter
sein«, meinte Millie, um dann sichtlich aufgeregt hinzuzufügen: »Ob sie wohl
meine Freundin werden möchte?«
    »Warum nicht?« entgegnete

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