Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen
unveränderlich
wie die Jahreszeiten.
»Was machen Sie hier?« fragte sie,
als sie endlich die Sprache wiederfand.
Der Captain seufzte. »Der Krieg hat den
Süden sehr verändert«, erwiderte er mit trauriger Resignation. »Meine Frau und
mein Kind sind am Gelbfieber gestorben, und alles in meiner Umgebung erinnerte
mich an sie und an bessere Tage. Schließlich heuerte ich als Arzt auf einem
Schiff an, der Enchantress, auf der wir Kap Horn umsegelten. Als ich
schon einige Tage in Seattle war, begegnete ich einem Mann, der einen Arzt für
Quade's Harbor suchte.« Er machte eine Pause und zuckte mit den Schultern. »Und
jetzt bin ich hier. Sie haben gute Arbeit bei dem jungen Mann geleistet,
Lydia«, fügte er hinzu. »Er hat noch einige schlimme Tage und Nächte vor sich,
aber ich glaube, er wird es überstehen.«
Lydia wurde ganz schwindelig vor
Erleichterung. Devon würde wieder gesund werden. Plötzlich begann der
Wasserkessel hinter ihr zu pfeifen.
»Sie haben nie erwähnt, daß Sie Arzt
sind«, bemerkte Lydia und starrte den Mann an, der einst ein Feind gewesen war,
dem sie zur Flucht verholfen hatte.
McCauley lachte leise. »Ich war die
meiste Zeit besinnungslos vor Schmerz und Fieber«, erwiderte er. Dann berührte
er liebevoll seinen rechten Arm und lächelte. »Ich stehe tief in Ihrer Schuld,
Miss McQuire, und glaube, das Schicksal hat mir jetzt Gelegenheit gegeben,
diese Schuld zu begleichen.«
Lydia schaute forschend in das von
zahlreichen Fältchen gezeichnete, aber noch immer sehr gutaussehende Gesicht
und fragte sich, wie jemand diesen sanftmütigen Mann als Feind betrachten
konnte. »Werden Sie in Quade's Harbor bleiben?« fragte sie, bevor sie mit
zitternden Beinen aufstand, um Tassen aus dem Schrank zu holen.
»Das ist gut möglich«, antwortete
der Captain. »Ich sehe, daß dieser Ort einen Arzt gebrauchen könnte, und was
mich betrifft, so brauche ich ein Zuhause.« Nachdenklich runzelte er die Stirn.
»Was ist es, was Sie da zusammenbrauen, Lydia?«
»Ein Hausmittel gegen Erkältungen.
Möchten Sie auch eine Tasse?«
Captain McCauley lächelte. »Sehr
gern«, stimmte er zu und stand auf. »Ich glaube, es wird eine lange Nacht.«
»Werden Sie bei Devon bleiben?«
Der Arzt nickte. Obwohl seine
Kleidung alt und abgetragen war, zeugte sie von bester Qualität, was Schnitt
und Stoff betraf, und auch seinen Stolz schien Captain McCauley sich bewahrt zu
haben. »Ja«, sagte er.
»Dann bringe ich Ihnen den Tee
hinauf.« Lydia wandte sich ab und beschäftigte sich mit ihrem Tee. Ihr war
plötzlich eingefallen, wie feinfühlig Captain McCauley war, und sie befürchtete,
daß er sie durchschauen und die wildere Seite ihrer Natur erkennen könnte, eine
Seite, die sie heute abend in Brighams Armen zum ersten Mal entdeckt hatte.
»Danke«, erwiderte er höflich.
Lydia beeilte sich, eine Laterne anzuzünden
und reichte sie dem Arzt. »Schön, daß Sie hier sind, Captain«, sagte sie.
»Quade's Harbor braucht Sie.«
Eine müde Belustigung klang in
seiner Stimme mit, als er erwiderte: »Vergessen Sie den ‚ Captain<,
Lydia. Mein Name ist Joseph.«
»Joseph«, wiederholte sie gehorsam.
Als er fort war, schenkte sie Tee
ein und machte sich auf die Suche nach Brigham. Er stand auf dem Korridor vor
Devons Zimmer, mit dem Rücken zur Tür, und starrte in die Ferne, als sei er
imstande, in irgendeine ferne Ecke des Universums zu schauen. Er hatte sich
nicht umgezogen, sein Haar war naß und wirr.
»Du wirst dir noch den Tod holen«,
sagte Lydia vorwurfsvoll und stieß ihn an, um ihn auf sich aufmerksam zu
machen.
Seine grauen Augen verrieten
Überraschung, als er sie erblickte, fast, als hätte sie ihn von einem fernen
Ort zurückgeholt. Und so war es vermutlich auch. »Was willst du?« fragte er so
schroff, als hätte die zärtliche Episode in der Hütte nie stattgefunden.
Lydia wäre sicher verletzt gewesen,
wenn sie ihre inneren Barrieren nicht längst wieder errichtet hätte. Denn ihr
war inzwischen klar, daß die einzige Möglichkeit, ihr Leben so fortzusetzen
wie bisher, darin bestand, zu tun, als wäre nichts geschehen. »Ich möchte, daß
du das trinkst«, sagte sie kühl und reichte ihm die dampfende Tasse Tee. »Und
zieh dich bitte aus. Wir können jetzt wirklich keinen zweiten Kranken im Haus
gebrauchen.«
Brigham musterte sie verblüfft —
anscheinend gab es nur sehr wenige Menschen, die es wagten, in diesem Ton mit
ihm zu sprechen. Aber dann nahm er die Tasse und betrachtete
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