Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen
Kopf zurück und
starrte eigensinnig an die Zimmerdecke. Seine nächsten Worte verwundeten Polly
mindestens so sehr wie seine ersten. »Wo ist Lydia?«
Polly schluckte und sagte sich, daß
sie diesen traurigen Zustand ihrer Beziehung mit ihrem Betrug selbst
herbeigeführt hatte. Sie setzte ein zaghaftes Lächeln auf. »Lydia ist in eins
der Häuser auf der Main Street gezogen«, antwortete sie, und ihre Stimme
zitterte von der Anstrengung, sich zu beherrschen und sich nicht an Devons
Brust zu werfen, um ihn zu bitten, ihr zu verzeihen. »Sie und Brigham stimmten
überein, daß es unschicklich wäre, wenn sie ohne Anstandsdame weiterhin unter
demselben Dach lebten.« Sie machte eine Pause und fuhr dann, ermutigt durch die
Tatsache, daß Devon sie nicht unterbrochen hatte, fort: »Natürlich wird jetzt
die halbe Stadt versuchen, ihr den Hof zu machen.«
Auf diese letzten Worte hin glitt
Devons Blick zu Polly, und sein Gesichtsausdruck schnitt in ihre Seele wie ein
scharfes Messer. »Ich möchte sie sehen«, sagte er mit einer Kälte, derer sie
ihn nie für fähig gehalten hätte nach der zärtlichen Wärme, die er ihr vor
ihrem Geständnis entgegenbrachte. »Hol sie her. Sofort.«
Langsam richtete Polly sich auf und
schluckte hart. Eine Übelkeit erregende Panik breitete sich in ihrem Magen aus,
aber sie hielt an ihrem erzwungenen Lächeln fest. »Lydia hat dich seit dem
Unfall jeden Tag besucht«, sagte sie. »Ich bin sicher, daß sie auch heute
kommen wird.«
»Ich will sie jetzt sehen.«
Polly schloß für einen Moment die
Augen. »Ich habe dir etwas zu sagen, Devon«, flüsterte sie. »Ich bitte dich,
mich anzuhören.«
Er wandte den Blick ab. »Es
interessiert mich nicht, was du mir zu sagen hast. Verschwinde!«
Polly zögerte. Gepeinigt von seinem
Haß und dem Ausmaß ihrer Probleme. Für einen Augenblick dachte sie sogar an
Selbstmord, aber sie wußte auch, daß sie nie einen so feigen Ausweg wählen
würde.
Sie ging zur Tür, so langsam und
würdevoll, wie es ihr möglich war. Doch kaum hatte sie sie hinter sich
geschlossen, ließ Polly sich mit einem lautlosen Schluchzen an die Wand sinken.
Ihr ganzer Körper bebte vom Weinen, obwohl sie keinen einzigen Laut von sich
gab, und sie hob beide Hände und umklammerte den Türrahmen, weil sie Angst
hatte, ohnmächtig zu werden.
Doch irgendwann ließ der Aufruhr
ihrer Gefühle nach, und Pony spürte, daß jemand hinter ihr stand. Aber da sie
wußte, daß es nicht Devon sein konnte, drehte sie sich nicht um.
Starke Hände legten sich auf ihre
Schultern. »Mrs. Quade«, sagte eine Männerstimme.
Bis zu diesem Augenblick hatte Polly
geglaubt, ihren ärgsten Schmerz überstanden zu haben, aber die Anrede, die sie
nicht verdiente, zerrte an ihrer Seele und riß die alten Wunden wieder auf.
Aufschluchzend wirbelte sie herum und schaute in das freundliche Gesicht von
Dr. Joseph McCauley.
»Was haben Sie denn?« erkundigte er
sich mitfühlend. Seine sanfte Stimme war wie Balsam für Pollys Wunden. »Als ich
Mister Quade heute morgen untersuchte, schien es ihm doch viel besser zu gehen,
also kann es das nicht sein.«
Polly wischte mit dem Handrücken
ihre Tränen ab. »Er ist wach«, sagte sie mit gebrochener Stimme.
»Das ist gut«, erwiderte Dr.
McCauley, griff in seine Rocktasche und zog ein sauberes Taschentuch hervor,
das er Polly reichte. »Aktive Männer wie Mister Quade reagieren häufig mit
Gereiztheit, wenn sie feststellen, daß sie sich nicht bewegen können. Außerdem
dürfen wir nicht vergessen, daß er noch immer starke Schmerzen leidet. Er wird
umgänglicher sein, sobald er sich mit seiner momentanen Lage abgefunden hat.«
»Ich wünschte, es wäre so einfach«,
erwiderte Polly seufzend und fühlte sich versucht, diesem verständnisvollen
Arzt ihr häßliches Geheimnis anzuvertrauen. Aber dann begriff sie, daß sie mit
einem Menschen, der ihr praktisch fremd war, nicht über derart persönliche
Dinge sprechen durfte.
Der Arzt nickte ihr noch einmal
aufmunternd zu, bevor er sich umwandte und die Tür zu Devons Zimmer öffnete.
Polly strich ihr Haar und ihre Röcke
glatt und begab sich nach einem tiefen Atemzug zur Treppe. Als sie wenig später
Lydias kleines Haus erreichte, traf sie ihre Freundin auf der Terrasse an, wo
sie vor einem kleinen Kätzchen kniete und ihm Milch anbot.
Lydia schaute auf und lächelte. Eine
leichte Brise spielte mit ihrem blonden Haar, das wie Gold in der Sonne
leuchtete, und ihre Augen waren blau wie die Kornblumen
Weitere Kostenlose Bücher