Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen
bin,
Mister Quade«, antwortete McCauley. »Und Sie sind es, glaube ich, auch. Ich
weiß, daß Sie Lydia ebenso sehr begehren wie ich und kann nicht weiter unter
Ihrem Dach leben, ohne Ihnen meine Absichten klar und deutlich mitgeteilt zu
haben. Ich werde allerdings in Quade's Harbor bleiben und entweder für Sie
arbeiten oder meine eigene Praxis eröffnen, und wenn ich Lydia dazu überreden
kann, mein Leben zu teilen, werde ich es tun. Ohne auch nur einen Augenblick zu
zögern.«
Ein überwältigendes Verlangen,
aufzuspringen und den Arzt am Genick zu packen, erfaßte Brigham, aber er
beherrschte sich und blieb sitzen. »Es besteht kein Grund, mein Haus zu
verlassen«, sagte er mit erzwungener Ruhe. »Ich möchte, daß Sie in der Nähe
meines Bruders sind. Außerdem wird Lydia in eins der Häuser in der Main Street
ziehen.«
McCauley wirkte erfreut, und dieses
zufriedene Lächeln hätte Brigham bei jedem anderen Mann in Weißglut versetzt,
aber Devon brauchte einen Arzt und die wachsende kleine Gemeinde auch. »Also
gut«, sagte Doktor McCauley, erhob sich und reichte Brig die Hand. »Dann möchte
ich Sie nicht länger aufhalten. Ich wollte nur sicherstellen, daß wir einander
verstehen, und ich glaube, das habe ich erreicht.«
Brigham stand auf und erwiderte
McCauleys Händedruck. »Sie werden noch feststellen, daß Sie einen starken
Gegner in mir haben«, warnte er, und es lag keine Prahlerei in seiner Stimme,
nur grimmige Aufrichtigkeit.
»Davon bin ich überzeugt«, entgegnete
McCauley lächelnd.
Auf Brighams Anweisung hin suchte Lydia
sich ein Bett aus, einen Sekretär, eine Kommode, ein Sofa mit zwei Sesseln und
einen kleinen Wohnzimmertisch. Sie nahm auch Bettwäsche mit, und Jake versorgte
sie großzügig mit Küchenutensilien. Als auch Charlotte und Millie aus ihren
eigenen Zimmern und vom Dachboden Beiträge zur Einrichtung geliefert hatten,
war der Wagen so hoch beladen, daß mehrere Seile über die Fracht gespannt
werden mußten.
Der Anblick des kleinen blauen
Hauses erfüllte Lydia mit bittersüßer Freude; einerseits bedauerte sie es,
nicht mehr ständig bei den Kindern sein zu können, andererseits entzückte es
sie, jetzt endlich Herrin in ihrem eigenen Haus zu sein.
Ein kleiner Garten gehörte zu dem
Anwesen, umgeben von einem niedrigen Zaun, und eine überdachte Veranda zog sich
an der Vorderfront des Hauses entlang. Die Eingangstür führte in einen
geräumigen Salon mit einem gemauerten Kamin und einem polierten Holzboden.
Dahinter lagen zwei weitere Räume, eine Küche und ein kleines Schlafzimmer, das
mit einem gußeisernen Ofen versehen war. In einiger Entfernung zur hinteren
Eingangstür war ein Toilettenhäuschen errichtet worden.
Charlotte erforschte das Haus
gemeinsam mit Lydia, während Millie draußen blieb und auf dem Gartentor
schaukelte. »Sehr groß ist das Haus nicht«, meinte Charlotte.
Lydia, die ihr ganzes Leben in
gemieteten Zimmern und später in Militärzelten verbracht hatte, erschien es
wie ein Palast. »Es ist mehr als groß genug für mich«, erwiderte sie lächelnd.
Charlotte spreizte die Hände und
machte eine tänzerische Bewegung durch den Salon. »Wirst du uns hier
unterrichten?«
»Ja. Aber deine Studien werden
natürlich fortgeschrittenerer Art sein als Millies und die der anderen.«
Charlotte runzelte die Stirn. »Was
willst du mir denn noch beibringen? Ich kann lesen, schreiben, rechnen ...«
Lydia lachte. »Nur ein Narr glaubt,
nichts mehr dazulernen zu können«, sagte sie mit gutmütigem Vorwurf. »Es gibt
noch so vieles, was du nicht weißt, Charlotte! Was bringt die Blumen zum
Wachsen? Was hält die Sterne an ihrem Platz? Wie würde es sein, in Marrakesch
zu leben — oder auch nur in Chicago?«
Charlottes Gesicht verriet
Neugierde, aber auch Mißtrauen. »Und du weißt das alles?«
Lydia trug ihre Reisetasche zur
Schlafzimmertür und stellte sie dort ab. »Einiges davon«, erwiderte sie
gelassen. »Und was ich nicht weiß, kann ich in den Büchern deines Vaters nachschlagen.«
Charlotte seufzte ungeduldig. »Papa
wird dich nicht an seine kostbaren Bücher heranlassen«, entgegnete sie, als
wäre das Thema damit erledigt. »Die meisten von ihnen befassen sich mit
Astrologie, Geographie und Mathematik, und er sagt, Frauen brauchten so etwas
nicht zu wissen.«
»Dann hat er selbst noch einiges zu
lernen«, murmelte Lydia. Es verbitterte sie, zärtliche Gefühle für jemanden wie
Brigham Quade zu hegen, aber so war es leider. Wieviel besser
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