Quade 02 - Goldene Sonne die dich verbrennt
rebellischer Vogel«, bemerkte er, »und
sollten lernen, sich zu benehmen, bevor die Sultanin Ihnen die Federn ausrupfen
läßt.«
Eine heiße Röte stieg in Charlottes
Wangen auf. »Diese alte Frau besitzt keine Autorität über mich!«
»Wir sind hier nicht in Amerika«,
entgegnete Rashad ernst. »Sie sind es, die hier keine Rechte besitzen.«
Charlotte schluckte. Wenn ich mir je
wieder ein Abenteuer wünschen sollte, dachte sie bedrückt, dann soll mich ein
Blitzschlag treffen! Vorausgesetzt natürlich, sie überlebte dieses hier. »Ich
will nach Hause«, sagte sie nach einer langen Pause.
Ein Ausdruck von Trauer erschien auf
Rashads Zügen. »Ich auch«, entgegnete er in hoffnungslosem Ton. »Aber ich werde
mein Heimatland nie wiedersehen, und Sie auch nicht.«
Damit ging er hinaus und verriegelte
die Tür.
In einem Anfall von Panik hastete
Charlotte durch den Raum, doch dann nahm sie sich zusammen und ließ sich auf
dem Diwan nieder. Sehnsüchtig dachte sie an die Ulme im Hof und an die
Freiheit, die hinter den hohen Palastmauern lockte, so gefahrenvoll sie auch
sein mochte.
Sie hatte eine Banane gegessen, eine
Weile geschlafen und jedes Gedicht rezitiert, das sie kannte, als Rashad kurz
vor Sonnenuntergang endlich kam und sie freiließ.
»Der Sultan feiert die Geburt von
Zwillingssöhnen«, verkündete der Eunuch. »Er wünscht, daß Sie gebadet und
angekleidet werden, um später in seinen Gemächern für ihn zu tanzen.«
Charlotte schluckte. »T-tanzen? Für
ihn? Ich fürchte, ich kenne keine Tanzschritte . .«
Rashad lächelte. »Dann sollten Sie
sich rasch welche ausdenken«, erwiderte er. »Der Sultan wird sein Vergnügen
haben.«
»Sie sprechen eine sehr gebildete
Sprache für einen Sklaven«, sagte Charlotte wütend, weil Rashad so arrogant
war, und weil er sie stundenlang gefangengehalten hatte.
Seine dunklen Augen funkelten, aber
Charlotte wußte nicht, ob aus Belustigung oder aus Ärger. »Das sollte man
annehmen. Ich habe den Sultan nach England begleitet, als er dort studierte,
und vorher diente ich seinem Vater.«
Sie hatten die Bäder erreicht, und
Charlotte wurde von einer Gruppe schnatternder Frauen in Empfang genommen, die
sie auszogen und badeten. Doch diesmal kam noch eine andere Prozedur hinzu —
mit warmem Bienenwachs wurden sämtliche Härchen an ihren Armen und Beinen
entfernt.
Es schmerzte kaum, doch die mögliche
Bedeutung des Vorgangs beunruhigte Charlotte sehr. Sie kam sich wie ein Opferlamm
vor, das auf eine rituelle Schlachtung vorbereitet wurde.
»Laßt mich!« schrie sie und
versuchte, sich aufzurichten.
»Genug!« sagte Rashad, der am Fuß
des Tisches erschienen war und zornig auf sie herabschaute. »Schweigen Sie!«
Charlotte gehorchte, aber der
Gedanke an Flucht beherrschte sie mehr als je zuvor, während sie sich den nicht
unsanften Händen der anderen Frauen überließ.
Sie kleideten sie wie eine Tänzerin,
in leuchtend gelbe Haremshosen mit durchsichtigen Beinen, zu denen ein enganliegendes
mit Topasen besetztes Mieder gehörte, das knapp über ihrem Bauch endete, der
unverhüllt blieb. Ganz zum Schluß wurde ihr ein brauner, mit Goldfäden
bestickter Seidenschleier umgelegt.
Charlottes Haar wurde parfümiert und
mit Orangenblüten durchwoben, ihre Augen wurden mit Khol umrahmt, ihre Lippen
mit Karmesin geschminkt. Mit würdevoller Resignation folgte Charlotte Rashad
aus dem Harem und über die endlosen Korridore.
»Falls Khalif glaubt, daß er mich
berühren wird, ist er sehr im Irrtum«, sagte sie zu Rashads breitem Rücken.
Sie glaubte, den Eunuchen lachen zu
hören, aber als er sprach, klang seine Stimme streng: »Sie werden tun, was der
Sultan anordnet.«
»Ha — das werden wir ja sehen!«
entgegnete Charlotte, obwohl sie wußte, daß es nichts als leere Worte waren.
Doch ihr Stolz ließ es nicht zu, daß sie einen solchen Gang in Schwäche
antrat.
Diesmal schaute Rashad sich nach ihr
um. »Sie werden nicht lange bei uns bleiben«, sagte er mit Überzeugung und Bedauern.
»Sie sind zu selbstbewußt und zu rebellisch.«
Charlotte seufzte ärgerlich. »So?
Was wollen Sie denn mit mir tun? Mich den Haien zum Fraß vorwerfen?«
Der Eunuch ging weiter. »Dieses
Schicksal wäre immer noch leichter zu ertragen als der Zorn der Sultanin«,
entgegnete er.
Charlotte gab keine Antwort, weil
sie vermutete, daß Rashads Behauptung nur zu wahr war, und folgte dem Eunuchen
in einen Saal, wo glühende Kohlebecken das Aroma von Weihrauch verbreiteten.
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