Quade 02 - Goldene Sonne die dich verbrennt
ihrem Mann erwartete.
Er lachte über ihr Erstaunen und
küßte sie von neuem. Doch bevor der Kuß leidenschaftlicher werden konnte, erschien
Cochran im Hof.
»Verzeihung, Captain«, sagte er
verlegen. »Aber ein fremdes Schiff hat im Hafen angelegt, und obwohl ich nicht
sagen kann, warum, kommt es mir irgendwie verdächtig vor.«
Patrick sprang von der Mauer, half
Charlotte herunter und wandte sich an Cochran. »Hast du gesehen, wie es heißt?«
»Keine Ahnung, Captain — aber sein
bloßer Anblick verursacht mir eine Gänsehaut.«
Patrick und Cochran eilten hinaus,
und Charlotte, die ihnen nicht zu folgen wagte, ging zu Khalif, um sich
nützlich zu machen, während sie wartete.
Rashad war bei seinem Herrn und
wachte über ihn. »Ist etwas passiert?« fragte er, weil er die lauten Stimmen
auf dem Korridor gehört hatte. Seine braunen Finger umklammerten den
Perlmuttgriff eines Dolchs, und seine ganze Haltung verriet, daß er bereit
war, den Sultan mit seinem Leben zu verteidigen, falls es sich als notwendig
erweisen sollte.
Charlotte fand eine solche Treue
erstaunlich bei einem Sklaven, vor allem angesichts der Tatsache, daß Rashad
von seinem Herrn entmannt worden war. Sie schaute ihn an. »Ein fremdes Schiff
ankert im Hafen, und Mr. Cochran ist darüber sehr beunruhigt.«
»Das könnten Piraten sein«, meinte
Rashad. »Oder Freunde von Ahmed, die gekommen sind, um dem neuen Herrscher ihre
Aufwartung zu machen.«
Khalif stöhnte im Schlaf und
murmelte etwas Unverständliches.
Charlotte schluckte. »Piraten?« Eine
Begegnung mit den Freibeutern, die die Meere unsicher machten, hatte ihr
gereicht, sie hatte kein Verlangen, die Erfahrung zu wiederholen. »Sie würden
doch bestimmt nicht wagen, den Palast anzugreifen?«
»Ich muß selbst sehen, was draußen
vorgeht«, sagte Rashad und reichte Charlotte seinen Dolch. »Bleiben Sie beim
Sultan. Falls jemand in seine Nähe kommt, töten Sie ihn!«
Die kalte Eindeutigkeit seines
Befehls entsetzte Charlotte. »Das kann nicht Ihr Ernst sein! Und wenn Alev
kommt — oder eine andere der Frauen?«
Rashads dunkle Augen glitzerten wie
Gagat. »Überall im Palast sind Spione und Verräter«, sagte er. »Der Harem ist
nicht immun dagegen. Niemand außer mir, dem Captain oder Mr. Cochran hat
das Recht, einen Fuß in diesen Raum zu setzen.«
»Und Patrick glaubt, eine schwangere
Frau wäre hier sicher«, murmelte Charlotte, als der Eunuch sie mit Khalif
allein ließ.
Der Sultan stöhnte leise, und
Charlotte zog sich ein Sitzkissen an sein Lager. »Seien Sie unbesorgt«,
flüsterte sie beruhigend. »Sie sind in Sicherheit.« Sie betrachtete das Messer
und legte es dann schaudernd fort.
Khalif öffnete die Augen, schaute
sie verwundert an und lächelte. »Du hast dich sehr verändert, Rashad«, sagte
er.
Charlotte setzte eine tapfere Miene
auf. Der Sultan durfte nicht merken, daß sein Palast von neuem in Gefahr war.
»Wie fühlen Sie sich?« fragte sie.
Khalif seufzte. »Als hätte ich
tagelang in der Wüstensonne gelegen«, gab er zu. »Könnte ich bitte etwas Wasser
haben?«
Sie schenkte ein Glas ein und hielt
es an seine Lippen. »Möchten Sie etwas essen? Ich könnte Obst und Käse bringen
lassen.«
Khalif schüttelte den Kopf. »Nein.
Ich habe keinen Hunger.« Dann griff er nach ihrer Hand und hielt sie fest.
Nach vierzehn Tagen waren die Wunden
an seinen Fingern weitgehend verheilt, und die neuen Nägel begannen nachzuwachsen.
»Bitte«, murmelte er. »Ich möchte
nicht allein sein.« Lächelnd versprach Charlotte zu bleiben und hoffte, daß sie
nicht in Gesellschaft plündernder Piraten endeten.
Aber das ist ja lächerlich, schalt
sie sich dann. Selbst wenn das geheimnisvolle Schiff von Piraten befehligt
wurde, waren Patrick und die anderen bestimmt imstande, einen Angriff
abzuwehren.
»Sprechen Sie mit mir«, bat Khalif.
»Erzählen Sie mir etwas von Ihrer Familie.«
Obwohl es ihr schwerfiel, über den
Ort und die Menschen zu sprechen, die sie so sehr vermißte, begann Charlotte
dem Sultan von Quade's Harbor zu erzählen. »Es ist ein wunderschöner Ort, von
Wäldern umgeben, die so dicht sind, daß man kaum das Tageslicht erblickt. Und
das Wasser! So blau und klar ...«
»Gibt es dort auch Berge?« warf
Khalif mit heiserer Stimme ein, und Charlotte berührte prüfend seine Stirn. Sie
war glühend heiß, stellte sie betroffen fest.
»Ja«, sagte sie. »Man kann die Olympics auf dem Festland sehen. Im Winter sind sie schneebedeckt, aber ihre
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