Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz
Farbton wie bei der Prinzessin, war dunkel
genug, um einen unaufmerksamen Beobachter zu täuschen.
Als es Viertel nach zwei schlug, erschien
Rafael an der Tür, um seine Schwester abzuholen und sie zur Kapelle zu geleiten.
Phaedra duckte sich hinter den Wandschirm, als Annie den Prinzen einließ.
Er lächelte und wollte den Schleier
anheben, um seiner Schwester einen Kuß zu geben, doch Annie trat zurück und
schüttelte den Kopf.
Rafael zuckte gutmütig mit den
Schultern und bot ihr dann seinen Arm.
Als Annie an Rafaels Seite die
Treppe hinunterschritt und die Halle durchquerte, bereute sie ihren Entschluß
und war zugleich unendlich glücklich. Obwohl Rafael zugegeben hatte, sie zu
lieben, und sie ganz bestimmt ihn liebte, mochte diese Gelegenheit die einzige
sein, jemals in einem Brautkleid an Rafaels Seite dahinzuschreiten. Sie würde
die Erinnerung daran ihr ganzes Leben lang hüten — als wie lang oder kurz
dieses Leben sich auch erweisen mochte.
Auf dem Burghof drängten sich
Dorfbewohner und Gesinde, weil die Familienkapelle nicht der gesamten Hochzeitsgesellschaft
Platz bot. Annie errötete vor Freude und Beschämung, als ihre »Untertanen«
begeistert applaudierten und einen Blumenregen auf sie niedergehen ließen.
An der Tür des kleinen Gotteshauses
blieb Rafael stehen und drückte Annies Hand. Chandler stand bereits vor dem
Altar, zusammen mit einem Priester und einer Abordnung von Phaedras Kusinen,
die alle pinkfarbene, gerüschte Kleider trugen.
Ich hätte kein Pink gewählt, dachte Annie selbstgerecht,
sagte jedoch nichts, weil Worte sie
verraten hätten.
Orgelmusik ertönte, und Rafael
führte die verschleierte Braut langsam durch den Mittelgang. Durch die dichte
Spitze vor ihren Augen ließ Annie den Blick über die vollbesetzten Bänke
gleiten. Jemand fehlte — jemand, der ebenfalls anwesend hätte sein müssen ...
Aber Annie kam in diesem Augenblick nicht darauf, wer diese Person sein mochte.
Außerdem mußte sie sich sehr beherrschen, um ein nervöses Kichern zu
unterdrücken.
Die letzten Noten des
Hochzeitsmarsches hallten noch eine Weile in der kleinen Kirche nach, als
Rafael Annie dem Manne übergab, den er für Phaedras zukünftigen Gatten hielt.
Als Rafael zurücktrat, fiel es Annie schwer, nicht seine Hand zu ergreifen und
sich an ihm festzuklammern.
»Wer entläßt diese Frau in den
heiligen Stand der Ehe?« fragte der Priester feierlich.
Annie konnte sich nicht entsinnen,
ob der Mann Gottes davor schon irgend etwas Wichtiges gesagt hatte, und einen
schrecklichen Moment lang glaubte sie, wirklich und wahrhaftig mit Chandler
Haslett verheiratet zu sein.
»Ihre Brüder«, erwiderte Rafael
respektvoll von irgendwo in der pulsierenden Leere hinter Annie.
Die Zeremonie begann.
»Ihr, die ihr euch hier versammelt
habt ...«
Annie schwankte, und Chandler
stützte sie diskret, indem er seine Hand unter ihren Ellbogen legte. Annies
Schuldbewußtsein verdoppelte sich bei seiner fürsorglichen Geste. Genau in
diesem Augenblick floh die wahre Braut mit ihrem Geliebten aus der Burg. Hatten
sie das geheime Tor bereits erreicht? Durfte Annie jetzt ihre Identität enthüllen
und diesem beschämenden Schauspiel ein Ende bereiten?
Der Priester predigte endlos lange
über die Heiligkeit der Ehe und den Wert des Vertrauens zwischen Mann und Frau,
und Annie stützte sich schwer auf Chandlers Arm.
»Wer kann eine tugendhafte Frau
finden?« zitierte
der Geistliche mit klangvoller Stimme, bevor er auf eine Umschreibung
verfiel. »Ja, wirklich, sie ist kostbarer als Rubine, und das Herz ihres Gatten
ist sicher, wenn es ihr vertraut.«
Annie stöhnte leise auf, was jedoch
niemand zu hören schien.
Laß es endlich vorbei sein, flehte sie stumm. Doch dann, als sie
sich daran erinnerte, daß sie unmittelbar darauf fortgeschickt werden würde,
änderte sie ihr Gebet rasch: Laß es für immer weitergehen ...
Sie fragte sich, ob es schon einmal
eine Braut gegeben hatte, die tot vor dem Altar umgefallen war.
»Chandler Haslett«, dröhnte der
Priester, »sind Sie bereit, diese Frau zu Ihrer rechtmäßig angetrauten Ehefrau
zu nehmen?«
Chandler drückte ihren Arm. »Ja«,
sagte er.
Annie schluckte einen Ausruf der
Scham und des Protests und wartete darauf, daß die Axt auf sie herabsauste.
»Seid Ihr, Phaedra Elisabeth
Madeline St. James, Prinzessin von Bavia, bereit, diesen Mann zu Eurem
rechtmäßig angetrauten Ehemann zu nehmen?«
Annie schwieg.
»Hoheit?« beharrte der Priester
sanft, mit
Weitere Kostenlose Bücher