Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz
ziehen!«
Rafaels wilder Blick erschreckte
Annie. Sie kletterte ungeschickt vom Bett und verdammte im stillen das
unhandliche Kleid, über das sie fast gestolpert wäre. »Verstehst du denn
nicht«, fragte sie flehend, »daß es bereits zu spät ist? Gib ihnen deinen Segen
und laß sie gehen, Rafael.«
Er fuhr sich in einer nervösen Geste
mit der Hand durchs Haar. »Wie konntest du dich an so etwas beteiligen? Ist dir
eigentlich klar, was du getan hast?«
»Ich denke schon«, sagte Annie.
»Meine beste Freundin auf dieser Welt bat mich, ihr zu helfen, einer Ehe zu
entfliehen, die sie sich nicht wünschte, und das habe ich getan.« Sie hob
trotzig ihr Kinn. »Im übrigen tut es mir nicht leid, ich bedauere höchstens die
Probleme, die meine Handlungsweise dir und dem armen Mr. Haslett verursacht
hat.«
Rafael schloß einen Moment die Augen,
und Annie wußte, daß er mit sich kämpfte, um seinen Zorn zu bändigen. Und
natürlich wünschte sie ihm viel Erfolg dabei.
Endlich sagte er wieder etwas. »Pack
deine Sachen, Annie. Du reist ab.«
Die Worte trafen sie wie ein Schlag,
aber sie klammerte sich mit letzter Kraft an ihrer Würde fest. Zwischen dem im
letzten Moment verhinderten Mord an ihr durch Leutnant Covington, der
Hinrichtung von Peter Maitland, der Tatsache, daß sie unverheiratet und
schwanger war, und der betrügerischen Hochzeit hatte sie ihre Reserven
gründlich erschöpft.
»Komm mit mir«, bat sie, ihren Stolz
vergessend.
Rafael schüttelte den Kopf, bedachte
sie mit einem letzten, prüfenden Blick und verließ das Zimmer. Die Tür fiel
laut hinter ihm ins Schloß.
Annie legte das verflixte Kleid so
schnell ab, wie sie es allein schaffte, und zog ihr Hemd und ihre Hosen an.
Dann stürmte sie die Treppe hinunter, um zu sehen, was unten vor sich ging.
Sie brauchte nicht weiter zu gehen
als in die Küche, wo die Dienstboten sich versammelt hatten, um über die großen
Ereignisse dieses Tages zu klatschen. In einem Türeingang verborgen, erfuhr
Annie, daß Rafael der Prinzessin und ihrem Liebhaber Soldaten nachgeschickt
hatte, doch niemand erwartete ernsthaft, daß sie gefunden werden würden.
Annie schloß die Augen und schickte
ein stummes Stoßgebet zum Himmel, daß Phaedra und Mr. Barrett die Flucht
gelingen möge. Denn immerhin liebten sie sich und gehörten zueinander.
»Das macht Mr. Barrett zu einem
Verräter«, machte sich die Köchin wichtig. »Er ist fortgegangen und hat den
Prinzen in der Stunde der Not in Stich gelassen. Selbst Liebe ist nicht Grund
genug für so etwas.«
Ein unbehagliches Schweigen breitete
sich in der Küche aus, und dann meldete Kathleen sich zu Wort. Falls sie Annie
in der Tür gesehen hatte, ließ sie sich nichts anmerken.
»Der Prinz ist ein vernünftiger
Mensch«, erklärte Kathleen. »Sobald er sich beruhigt hat, wird er einsehen,
daß Mr. Barrett ihm keinen schlechten Dienst erweisen wollte.«
Annie hoffte, daß das stimmte, aber
sie war nicht so sicher, wie Kathleen klang, und das Herz tat ihr weh für Rafael.
Er war umgeben von Problemen, seine Feinde standen vor der Tür, und nun hatte
er auch noch seinen besten Freund und Vertrauten verloren.
»Es ist ein schwarzer Tag für die
St. James«, bemerkte die Köchin kopfschüttelnd.
»Das Ende ist nicht mehr weit
entfernt«, stimmte jemand anderes zu. »Ich glaube, ich verschwinde lieber,
bevor die Kämpfe anfangen.«
Zustimmendes Gemurmel erhob sich
unter dem Gesinde.
In tiefster Niedergeschlagenheit
wandte Annie sich ab und kehrte in ihr Zimmer zurück. Nach einer gründlichen
Wäsche besaß ihr Haar fast wieder seinen normalen Farbton, und sie bürstete es
auf der Terrasse trocken. Als das geschehen war, holte sie Koffer und Taschen
aus dem Schrank und begann zu packen.
Zwanzig
Chandler Haslett verließ mit seiner
Gefolgschaft die Burg, noch bevor die Sonne an seinem vermeintlichen Hochzeitstag
unterging.
Der versetzte Bräutigam, obwohl
höflich darum gebeten, hatte sich strikt geweigert, Annie Trevarren mit seiner
Gesellschaft reisen zu lassen.
Als er den Aufbruch von einer der
Zinnen aus beobachtete, seufzte Rafael. Er konnte es Haslett nicht verübeln,
daß er wütend war, denn der Mann hatte einen schweren Schlag erlitten, und sein
Stolz lag jetzt in Scherben.
»Was für ein Tag«, bemerkte Lucian.
Rafael schaute seinen Bruder nicht
an, und er war auch nicht überrascht. Ein Unglück, dachte er, kam schließlich
selten allein. »Ja. Du hattest mich gewarnt hinsichtlich Phaedra und
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