Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz
Barrett.
Ich hätte auf dich hören sollen.«
Lucian trat neben ihn. »Das ist
immerhin etwas«, erwiderte er gelassen. »Aber wenigstens hat sie Bavia verlassen,
und bei Barrett ist sie in Sicherheit.«
Rafael stieß ein humorloses Lachen
aus. »Ja«, stimmte er zu. »Aber ist Barrett auch bei unserer Schwester sicher?«
Lucian lächelte müde. »Was wirst du
ohne ihn anfangen?«
Im ersten Moment wußte Rafael nichts
darauf zu antworten. Ihm war, als ob er mit Barretts Verlust auch seinen rechten
Arm verloren hätte, und doch war er jetzt, wo er Zeit gehabt hatte, darüber
nachzudenken, schon nachsichtiger gestimmt. Barrett hatte versucht, ihm
klarzumachen, daß er Phaedra liebte, doch er, Rafael, hatte ihn nicht ernst
genommen. Er war so sicher gewesen, daß Barrett mit der Zeit einsehen würde,
daß eine Verbindung zwischen einer Prinzessin und einem Soldaten
ausgeschlossen war.
»Vielleicht ist es besser, daß er
fort ist«, erwiderte der Prinz nach langem Schweigen. »Warum sollte Barrett
neben mir am Galgen hängen? Bavia ist nicht sein Land.«
»Ja, warum?« stimmte Lucian zu. »Was
hast du eigentlich mit Annie vor, falls du mir die Frage nicht übelnimmst?«
Rafael erwiderte den Blick seines
Halbbruders. »Ich nehme sie übel«, erwiderte er. »Aber ich werde sie beantworten:
Ich weiß es nicht. Hasletts verletzter Stolz hat verhindert, daß Annie in
seiner Gefolgschaft reisen konnte. Es liegt ein Schiff an der Küste, aber ich
würde niemand anderem als Edmund Barrett oder ihrem eigenen Vater zutrauen, sie
sicher an Bord zu bringen, und ich selbst kann die Burg nicht lange genug
verlassen, um es zu tun.«
»Das scheint tatsächlich ein Problem
zu sein«, stimmte Lucian zu. »Ich nehme natürlich nicht an, daß du mich als
Eskorte für die schöne Miss Trevarren vorgesehen hast?«
»Eher würde ich sie dem Anführer der
Rebellen anvertrauen«, erwiderte Rafael zuvorkommend. »Was natürlich nicht
heißt, daß du nicht besser auch abreisen würdest. Deine Abneigung gegen mich
wird dich nicht vor ihnen retten, Lucian.«
»Ist es zu spät, mich als treuer und
reumütiger Bruder zu erweisen?« Eine vertraute, weinerliche Note in Lucians
Stimme schlug eine schmerzhafte Saite in Rafael an und erinnerte ihn an den
kleinen Jungen, der Lucian einmal gewesen war. Rafael hatte das Kind sehr gern
gehabt, obwohl er es, wie Phaedra, kaum gekannt hatte.
»Ja«, sagte Rafael, »es ist zu spät
dafür.«
Lucian schwieg einen Moment und
beobachtete die Sonnenstrahlen, die auf dem blauen Meer tanzten. »Dann sei es
so«, sagte er schließlich, um sich dann abzuwenden und Rafael seiner einsamen
Wache zu überlassen.
Annie wartete mit dem Gepäck in ihren
Gemächern, daß sie gerufen wurde, aber niemand kam. Endlich, gegen acht Uhr
abends, erschien Kathleen und brachte ihr etwas zu essen. Die junge Magd hielt
den Blick gesenkt, als sie das Tablett auf den kleinen Tisch neben dem Kamin
stellte.
»Ich nehme an, du bist jetzt auch
auf mich wütend«, sagte Annie, die sich ganz ungewöhnlich einsam fühlte.
Kathleen schaute auf. »Wütend? O
nein, Miss. Aber ich habe Angst um Sie, und das mit Recht. Die Rebellen werden
nicht mehr viel länger warten, und sie sind keineswegs so schlechte Soldaten,
wie Sie nach dem ersten Angriff vielleicht glauben mögen. Sie sind bereits
innerhalb der Burgmauern, und in einer Anzahl, die Sie sehr erstaunen würde.«
Annie betrachtete das Essen, das
Kathleen ihr gebracht hatte, ohne Appetit. Sie wußte, daß ihr wieder übel
werden würde, aber sie mußte etwas zu sich nehmen, aus Rücksicht auf ihr Kind.
Sie setzte sich an den Tisch und
forderte Kathleen auf, ihr Gesellschaft zu leisten.
»Haben sie nur abgewartet, bis die
Hochzeit vorüber war?« fragte sie.
Kathleen zog sich einen zweiten
Stuhl heran. »Einige von ihnen waren geladene Gäste, Miss«, sagte sie traurig.
»Menschen, die der Prinz Freunde nennt oder Cousins.« Sie hielt inne. »Oder Bruder.«
Annie hatte sich Tee eingeschenkt,
aber jetzt setzte sie die kleine Porzellankanne klappernd ab. »Glauben Sie, daß
Lucian bei den ...«
Kathleen legte eine feste Hand auf
Annies Arm und hinderte sie daran, aufzuspringen. »Es besteht keine Eile, dem
Prinzen die Nachricht zu überbringen«, sagte sie. »Seine Hoheit kennt die
Wahrheit schon sehr lange.«
»Verfluchter Lucian«, flüsterte
Annie und empfand seinen Verrat so schmerzlich, als ob er gegen sie selbst
gerichtet wäre.
»Er ist ein fauler Apfel, das
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