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Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz

Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz

Titel: Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
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verunzierte ihre ansonsten makellosen Züge. »Er
sagte, die Luft ruinierte sie, und hat sie dem öffentlichen Museum in Morovia
geschenkt.«
    Annie drehte sich langsam und
bewunderte den riesigen, kühlen Raum. Er war rund, mit einer hohen, kuppelförmigen
Decke und einem Balkon, der ihn ganz umschloß. Annie konnte sich gut
vorstellen, wie es hier im Mittelalter ausgesehen haben mußte, und fast konnte
sie sich die Damen der St.-James-Familie vorstellen, wie sie hier lächelnd und
stickend gesessen hatten. »Was für ein wundervoller Raum«, sagte sie
beeindruckt.
    Phaedra deutete auf den Balkon, der
sich acht Meter hoch über dem kalten Stein des Burghofs erhob. »Vor langer Zeit
ist hier eine Prinzessin in den Tod gesprungen. Die Dienstboten behaupten, ihr
Geist gehe auch heute noch in der Burg um.«
    Ein köstliches Erschauern
durchzuckte Annie. Sie hätte gern die Bekanntschaft eines solchen Geists
gemacht, vorausgesetzt, er wußte sich zu benehmen und sah nicht zu häßlich
aus.
    »Vergiß nicht, daß du versprochen
hast, Anprobe für mich zu stehen«, erinnerte Phaedra Annie flüsternd, als ein
Klappern in der Nähe des offenen Rundbogens entstand, der als Tür diente. Eine
kleine, plumpe Frau mit grauem Haar und einer häßlichen Warze an der linken
Nasenseite kam, begleitet von zwei jungen Mägden, in den Raum.
    Die eine der beiden jungen Frauen
trug einen Ballen schimmernden weißen Moiresés, während die zweite einen Korb
mit Spitze und Seidenbändern schleppte.
    Die Frau, die ihnen voranging,
stemmte beide Hände in ihre breiten Hüften und musterte Annie und Phaedra aus
scharfen Augen. »Welche von Ihnen ist die Prinzessin?«, fragte sie in einem
Ton, aus dem man hätte schließen können, daß sie für diesen schönen, sonnigen
Tag eine Enthauptung ankündigte, statt einer Anprobe für ein Hochzeitskleid.
    »Ich«, erwiderte Phaedra kühl.
Obwohl sie sonst kein Snob war, liebte sie es nicht, in allzu ungezwungener
Weise angesprochen zu werden. »Und das ist meine Freundin, Miss Annie
Trevarren. Sie wird Anprobe für mich stehen. Annie Miss Augusta Rendennon.«
    Die Schneiderin errötete leicht und
schürzte die Lippen. Sie hatte nichts von ihrem berühmten Geschmack und Stil
auf ihre eigene Kleidung verwendet, denn sie trug ein schlichtes graues Kleid,
das in jeder Hinsicht unauffällig war. Ihre Schnürschuhe waren derb und
abgetragen, und auch das kleine Spitzenhäubchen auf ihrem Oberkopf hatte schon
bessere Tage gesehen. Ihre Augen wurden schmal, als sie sie auf Annie richtete.
    »Hmm«, sagte sie, und eindeutige
Mißbilligung klang aus ihrer Stimme mit.
    Annie errötete vor Ärger und Verlegenheit
und hätte Phaedra in die Rippen gestoßen, wenn die ihr nicht klugerweise
ausgewichen wäre. »Ich denke nicht ...« begann sie lahm.
    »Pst!« zischte die Schneiderin, die
angefangen hatte, langsam um Annie herumzugehen. »Madame braucht hier nicht zu
denken. Ja ... ja, ich glaube, ich kann Sie gebrauchen, obwohl ich ziemlich
sicher bin, daß wir an der Taille Veränderungen vornehmen werden müssen.« Sie
streckte die Hand aus und kniff Annie in die Seite. »Ein bißchen fleischig,
aber wir wissen ja, daß Männer Frauen an gewissen Stellen lieber weicher
haben.«
    Annie bedachte Phaedra mit einem
vernichtenden Blick, obwohl ihr Erröten nicht von dieser letzten Demütigung herrührte,
sondern von Erinnerungen an den Tag zuvor, als Rafael jeden Zentimeter
besagten Fleischs berührt, liebkost und geküßt hatte. »Da das Kleid für die
Prinzessin bestimmt ist, wäre es doch sicher ratsamer, wenn sie selbst ...«
    Doch Phaedra eilte bereits zur Tür,
wo sie sich noch einmal umdrehte und Annie eine Kußhand zuwarf. »Miss Rendennon
wird sich um alles kümmern«, rief sie, bevor sie so rasch verschwand wie eine
Waldnymphe im Dickicht.
    Annies Magen knurrte laut und
vernehmlich, und Miss Rendennon seufzte gequält.
    »Barbaren«, murmelte sie. »Nichts
als Barbaren.«
    Eins der Mädchen, das den Ballen
Stoff inzwischen auf einem Sofa abgeladen hatte, knickste vor Annie und sagte:
»Ich werde Ihnen etwas zu essen holen, Miss.«
    »Essen?« rief Miss Rendennon
entsetzt. »Ich erlaube keine Lebensmittel in der Nähe dieser exquisiten
Materialien! Im übrigen wollen wir doch nicht, daß die Säume platzen!«
    Annie errötete von neuem. Vielleicht
war sie ja tatsächlich ein bißchen üppiger als Phaedra, aber so, wie Miss
Rendennon es sagte, klang es fast, als ob sie dazu verdammt wäre, den Rest
ihres Lebens

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