Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz
feuchtes, zerzaustes Haar. »Na schön«, stimmte er
heiser zu, und sein warmer Atem fächelte ihr Ohr. »Aber ich möchte dir sagen,
daß es noch sehr viele solcher Nachmittage und lange, ebenso wundervolle
Nächte in deinem Leben geben wird. Nur der Mann wird ein anderer sein.«
Nein, stöhnte Annie innerlich, barg ihr
Gesicht an der starken Schulter ihres Prinzen und erschauerte bei dem Gedanken,
sich jemals von einem anderen Mann - mochte er noch so gutaussehend und
ehrenhaft sein - berühren zu lassen, wie sie es Rafael erlaubt hatte. Sie
verstand jetzt endlich Phaedras Abneigung, einen Mann zu nehmen, den sie nicht
liebte.
»Aber, aber«, protestierte Rafael
schroff, als sie zu weinen begann. »Keine Tränen bitte. Was du jetzt brauchst,
ist ein warmes Bad, etwas zu essen und viel Schlaf.« Er schob sie bereits auf
den Burghof zu, und sie folgte ihm unwillig, weil sie wußte, daß sie sich jetzt
trennen würden.
Die große Halle war menschenleer, am
Fuß der Treppe versetzte Rafael Annie einen zärtlichen Klaps auf den Po. »Geh«,
befahl er, und obwohl seine Lippen lächelten, verrieten seine Augen ein
anderes, erheblich düstereres Gefühl. »Geh in dein Zimmer. Ich schicke dir
sofort eine Magd.«
Annie zögerte einen Moment und
prägte sich sein Gesicht ein, aus der Angst heraus, daß diese kurze Episode mit
ihm alles war, was sie je von ihm bekommen würde. Sie fragte sich, wie sie ihr
Leben fortsetzen sollte, jetzt, wo sie wußte, was hätte sein können. O Gott,
sie war besser bedient gewesen mit ihren jungfräulichen Phantasien, als sie
noch nicht geahnt hatte, was ein Mann und eine Frau miteinander tun konnten, um
sich gegenseitig Lust zu schenken.
»Gute Nacht«, sagte sie gebrochen,
wandte sich ab und lief über die Treppe und den schwach beleuchteten Korridor
zu ihrem Zimmer.
Seinem Wort getreu, schickte Rafael
sofort ein Dienstmädchen. Annie wurde verwöhnt und verhätschelt - Brandy und
eine heiße Mahlzeit wurden ihr gebracht, und eine riesige Badewanne wurde mit
dampfend heißem Wasser aufgefüllt.
Doch trotz all dieser
Annehmlichkeiten war Annie unglücklich. Wie ein wahrer Kavalier hatte Rafael
für jeden Komfort gesorgt - er mußte ein sehr schlechtes Gewissen haben der
Dinge wegen, die er mit ihr getan hatte. Wahrscheinlich lag er inzwischen
längst im Bett seiner Geliebten, um dort die Wünsche zu befriedigen, deren
Erfüllung er sich bei Annie nicht gestattet hatte.
Sie hatte viel gelernt an diesem
Nachmittag, hatte Rafaels männliche Erregung gesehen und sie deutlich gespürt,
als sie mit Barrett zur Burg zurückgeritten waren. Als sie jetzt in dem warmen,
duftenden Badewasser lag, schloß sie die Augen und stellte sich vor, wie es
sein würde, wenn Rafael sich auf ihren Körper legte und sie eroberte. Der
Gedanke ließ sie schneller atmen und ihr Herz rasen, und tief in ihrem
Innersten begann ein dumpfes Pochen.
Sie wäre vielleicht an ihren
unerfüllten Sehnsüchten gestorben, vermutete sie, wenn Phaedra nicht
ausgerechnet diesen Moment gewählt hätte, um ohne anzuklopfen hereinzustürmen,
mit Augen, aus denen der Mutwille funkelte und die ein Geheimnis bargen, das zu
enthüllen sie sich bestimmt weigern würde.
»Die Burg schwirrt vor Gerüchten«,
vertraute Phaedra ihr flüsternd an. »Alle sagen, du und Rafael, ihr wärt allein
im Haus am See gewesen! Angeblich waren deine Haare aufgelöst, als sie euch
fanden, Rafael trug kein Hemd, und deine Kleider waren zerdrückt und falsch
zugeknöpft. Sag mir, was geschehen ist ... Als ob ich es mir nicht denken
könnte!«
Annie war beschämt, daß ein guter
Ruf derart schnell zerstört werden konnte, und fragte sich, wie sie den Leuten
je wieder gegenübertreten sollte, nachdem alle solch intime Geheimnisse über
sie kannten. »Nichts ist geschehen«, log sie. »Wir sind vom Regen überrascht
worden, und da das Haus in der Nähe war, haben wir dort Zuflucht gesucht.«
»Na schön«, schmollte Phaedra, »dann
erzählst du es mir eben nicht. Früher oder später wirst du die Wahrheit sowieso
nicht mehr für dich behalten können, und dann kommt ja doch alles heraus!«
Annie überlegte, ob sie im
Badewasser untertauchen und sich ertränken sollte, aber die Chancen, gerettet
zu werden, waren zu groß mit Phaedra neben ihr. »Nichts ist geschehen«, bekräftigte
sie noch einmal und hoffte, daß kein Engel lauschte und die Lüge in irgendeiner
himmlischen Kartei verzeichnete. So wie es war, würde sie vermutlich ohnehin
auf direktem
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