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Quadriga: Kriminalroman (German Edition)

Quadriga: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Quadriga: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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Stunden weiterschlafen konnte. Doch
kaum war er wieder ins Reich der Träume hinübergeglitten, lieferten sich zwei Möwen
direkt vor seinem Fenster ein Schreiduell. Es war zum Aus-der-Haut-Fahren! Normalerweise
waren ihm die Viecher wurscht, auch wenn er, so wie heute, wegen der Hitze bei offenem
Fenster schlief. Doch die bevorstehende Begegnung ließ ihn nicht mehr richtig Ruhe
finden. Also stand er kurz vor sieben Uhr auf, trottete ins Bad und duschte, wobei
er sich wieder einmal über das dünne Rinnsal, das aus dem Duschkopf tröpfelte, ärgerte.
Er sollte endlich neue Wasserleitungen legen lassen, die bestehenden waren ziemlich
verstopft. Danach warf er sich noch einmal aufs Bett und starrte ins Leere. Um neun
Uhr hatte er einen Termin bei seinem neuen Klienten Philipp Mühleis. Lupino war
nervös. Endlich einmal ein echter Fall für einen Privatdetektiv. Die paar Überwachungen
von untreuen Ehemännern beziehungsweise Ehefrauen, mit denen er in den letzten Jahren
etwas Geld verdient hatte, waren ja nicht wirklich eine Herausforderung für ihn,
den Expolizisten, gewesen. Mit dem Fall des ermordeten österreichischen Buben war
das schon etwas anderes. Nun wurde ein weiterer Knabe vermisst. Trieb ein Serienkiller
hier im beschaulichen Venedig, in dem es außer in der einschlägigen Kriminalliteratur
kaum nennenswerte Kapitalverbrechen gab, sein Unwesen? Jedenfalls war dieser Fall
für Lupino endlich eine echte Aufgabe. Als kurz vor acht Uhr der Wecker läutete
– er funktionierte tatsächlich noch –, sprang er aus dem Bett, zog sich an und machte
sich auf den Weg zum Bäcker, wo er ein Panino integrale kaufte. Im Gegensatz zu
den meisten seiner italienischen Landsleute liebte Lupino ein ausgiebiges Frühstück.
Zurück in seiner Wohnung, goss er Wasser in die Bialetti-Espressomaschine, füllte
den Metallfilter fast bis an den Rand mit Kaffee, schraubte das Ding zu und stellte
es auf die bereits angezündete Gasflamme. Dann nahm er Butter, etwas Mortadella
sowie eine Handvoll länglicher Pomodori aus dem Kühlschrank, die er gründlich wusch
und abtrocknete. Gemeinsam mit der Mortadella und einem Stück Butter legte er sie
auf einen Teller. Mittlerweile blubberte die Espressomaschine, und intensiver Kaffeegeruch
erfüllte die Küche. Obwohl die Kommune von Venedig erstklassiges Trinkwasser in
ihre Wasserleitung einspeiste, hatte Lupino doch immer eine Kanne mit einem Wasserfilter
im Kühlschrank stehen. Aus ihr schenkte er sich ein Glas Wasser ein, und in eine
kleine Mokkaschale goss er das köstlich schwarze Gebräu aus der Espressomaschine.
Er drehte die Flamme des Gasherds ab und begann zu frühstücken. Das Frühstücksritual
besänftigte seine Nerven. Und so konnte er sich mit ruhiger, sicherer Hand rasieren.
Dann suchte er eine passende Krawatte aus dem Fundus seines Kleiderschranks. Wie
lang hatte er sich schon keine Krawatte mehr umgebunden? Im Spiegel betrachtete
er sich und war zufrieden. Ja, er würde einen guten Eindruck machen!
     
    Die Familie Mühleis wohnte im Palazzo
einer Principessa. Ein ziemlich verfallener Kasten in San Polo, dessen Dachgeschoss
Ihre Durchlaucht renovieren und ausbauen hatte lassen. Dieses Luxusdomizil vermietete
sie an Bekannte, Freunde und gelegentlich auch an Fremde, die man ihr empfohlen
hatte. So geschehen bei der österreichischen Familie, die ihr von einem Familienmitglied,
das beim italienischen TV-Sender Rai Uno arbeitete, empfohlen worden war. Die Familie
Mühleis, Großvater und Großmutter, Vater und Sohn, die hier während der Dreharbeiten
wohnten, waren nette, ruhige Leute. Nur manchmal, wenn Besuch aus Wien kam, wurde
es abends etwas lauter. Sonst verließen vor allem Großvater und Vater oft schon
zeitig in der Früh die Wohnung und kamen meist erst spätabends von den Dreharbeiten
zurück. Währenddessen passte dann die Großmutter auf ihren Enkel auf. Das funktionierte
auch so lange gut, bis eines Tages Johannes Mühleis verschwand. Die Großmutter war
mit ihm an diesem Tag im Sestiere [10] San Marco
zum Shoppen gegangen. Das war dem Elfjährigen nach eineinhalb Stunden zu langweilig
geworden. Er wollte heim und Computerspielen. Seine Großmutter hatte ihm ihren Wohnungsschlüssel
gegeben und eingeschärft, auf direktem Weg über die Accademia-Brücke und den touristischen
Haupttrampelpfad, der zum Rialto führte, nach Hause zu gehen. Dort war das Kind
aber nie angekommen.
    All das
erfuhr Lupino im Wohnzimmer der Dachwohnung des Palazzos, von der eine

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