Quälend süsse Glut
Beifahrertür öffnete, sah er im Seitenspiegel, wie seine Mutter Seras Hände in ihre nahm. Die Köpfe der beiden Frauen waren sehr dicht beieinander, und Rafiq hätte zu gern gewusst, was sie miteinander zu tuscheln hatten.
Versicherte seine Mutter ihr vielleicht noch einmal, dass sie Dank der guten Manieren ihres Sohnes nichts von ihm zu befürchten hatte? Sie brauchte sich wirklich keine Sorgen zu machen, immerhin war er kein Monster, oder? Zu wissen, dass Sera sich in seiner Gesellschaft so unwohl fühlte, wie es offensichtlich der Fall war, reichte ihm fürs Erste. Er gedachte nicht einmal, sie mit dem kleinen Finger anzurühren.
Nein, diese Befriedigung wollte er ihr nicht verschaffen!
Hinter sich sah er einen Wirbel schwarzer Tücher und Schleier, während Sera auf den zweiten Wagen zustrebte, in dem sie sich wohl relativ sicher vor ihm wähnte. Rafiq grinste versteckt, klärte mit dem Fahrer, was noch zu besprechen war, und schlug die Beifahrertür wieder zu. Dann winkte er seiner Mutter zum Abschied und schlenderte gemächlich ebenfalls auf den zweiten Jeep zu.
Als er hinten neben ihr Platz nahm, waren Seras Augen schreckgeweitet und schwarz wie die Nacht. Sekunden später wandte sie Körper und Kopf so demonstrativ ab und klammerte sich am Türgriff fest, als ringe sie mit sich, nicht doch noch in letzter Minute zu flüchten.
Fast hätte Rafiq laut losgelacht. Seine Genugtuung vertiefte sich. Kein Zweifel, sie hatte wirklich Angst vor ihm. Zufrieden lehnte er sich im Sitz zurück.
Seltsam, wie diese Erkenntnis seine jahrelang gehegten Rachegelüste abmilderte. Als er Qusay damals verließ, hatte er sie nie wiedersehen wollen und geglaubt, es sei besser, alles zu vergessen. Und zwei volle Tage in ihrer Gesellschaft zu verbringen, wäre wirklich das Letzte gewesen, was er sich erträumt hätte. Und doch …
Wenn er es sich recht überlegte, war diese Art der Rache vielleicht befriedigender als alles, was er sich in langen schlaflosen Nächten ausgemalt hatte.
Mit leisem Lächeln machte Rafiq sich den Platz zunutze, den Sera im Bestreben, so weit wie möglich von ihm abzurücken, freigegeben hatte. Gemächlich streckte er die langen Beine aus und weidete sich an Seras eindeutiger Körpersprache, die besagte, dass sie jede Bewegung von ihm registrierte, auch wenn sie immer noch angestrengt durchs Seitenfenster hinausstarrte.
Warum konnte er denn nicht in dem anderen Jeep fahren, wenn er so unglaublich viel Platz für seine Beine brauchte?, fragte sich Sera mit unterdrücktem Schaudern. Seit Rafiq sich neben sie gesetzt hatte, kämpfte sie, um ihren Herzschlag unter Kontrolle zu halten und die aufsteigenden Tränen hinunterzuschlucken.
Egal, wie eng sie sich an die Wagentür drängte, Rafiq war ihr viel zu nah. Und derart eingeklemmt regte sich plötzlich ein gesundes Widerstandsgefühl in Sera. Dachte Rafiq etwa, ihm gehöre plötzlich die ganze Welt, nur weil er der Bruder des Thronfolgers war? Oder wollte er ihr absichtlich wehtun, indem er dafür sorgte, dass sie sich in seiner Gesellschaft so unkomfortabel wie möglich fühlte?
Aber warum?
Okay, er hasste sie. Zumindest hatte er das seiner Mutter gegenüber behauptet. Es geradezu herausgeschrien. Genauso gut hätte er es der ganzen Welt verkünden können!
Und er wusste natürlich, dass sie es auch gehört hatte. Reichte ihm das etwa noch nicht? Bestand er deshalb so ultimativ auf ihre Begleitung, damit er sie genüsslich noch ein wenig länger quälen konnte?
Trauer, gepaart mit Wut und Frustration drohten ihr den Atem zu nehmen.
Wie oft hatte sie sich selbst vorgehalten, dass sie ganz allein die Schuld am Scheitern ihrer großen Liebe trug? Dass sie ihr grausames Schicksal mehr als verdient und jedes Recht auf eine glückliche Zukunft verspielt hatte.
Jetzt war Hussein tot … und sie wurde immer noch gehasst. Was hatte sie anderes erwartet?
Vielleicht bekommst du endlich die Gelegenheit, alles klären und hinter dir lassen zu können , hatte Rafiqs Mutter gesagt, als Sera sie ein letztes Mal anflehte, nicht mitfahren zu müssen. Möglicherweise ist dies die Chance für deine Seele, endlich wieder heil zu werden.
Sera liebte die Sheikha, die sie aufgenommen hatte, als sie nicht wusste, wohin sie gehen sollte. Sie liebte ihre Güte, ihre Weisheit und Geduld, mit der sie den Geständnissen über ihre schreckliche Ehe gelauscht hatte. Sie hatte verstanden, weil auch ihre Ehe mit Rafiqs Vater nicht einfach gewesen war. Sera vertraute ihr
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