Quaelend suesse Glut
Gedanken.
Er war froh, sich bereits zum zweiten Mal während seines Heimatbesuches für die traditionelle Landestracht entschieden zu haben. Erstens war es bei den hier herrschenden Temperaturen eine angenehme Kleidung, zweitens erfreute er damit seine Mutter und offensichtlich auch das qusayanische Volk, gemessen an den Zurufen, die seinem Bruder und ihm galten.
Rafiq lächelte in sich hinein. Vielleicht gab es in Qusay doch das eine oder andere, das er nicht vergessen und von sich weisen sollte, wie er es sich vor zehn Jahren geschworen hatte, als er seine Heimat verließ.
Wie sich herausgestellt hatte, gehörte Sera nicht nur dazu, sondern war das absolut Wichtigste auf dieser Liste! Ob sie ihn tatsächlich am Eingang der Ruine erwartete, wie er es von ihr verlangt hatte? Oder würde sie es vorziehen, sich irgendwo im Hintergrund zu verbergen, wie sie es offensichtlich geplant hatte, als er sie auf die Krönung ansprach?
Immer noch konnte Rafiq sich keinen Reim auf ihr seltsames Verhalten machen, zwang sich aber, das Thema beiseitezuschieben, um sich voll und ganz auf den zukünftigen König von Qusay konzentrieren zu können.
Nur zögernd hatte Sera die pfauenblaue Festtagsrobe angelegt und wünschte sich nichts sehnlicher, als die Zeit zurückdrehen zu können und noch einmal das romantische Dinner unter dem Sternenhimmel im Camp am Meer, zusammen mit Rafiq, erleben zu dürfen. Stattdessen zwang er sie, mitten in die Höhle des Löwen zu gehen …
Was hätte sie darum gegeben, sich wenigstens mit einem ihrer unförmigen schwarzen Gewänder tarnen zu können, doch das würde er unter Garantie nicht akzeptieren, und erklären könnte sie ihm ihr absurdes Verhalten auch nicht.
Sich tunlichst im Schatten des steinernen Torbogens haltend, der den Haupteingang zu der antiken Ruine bildete, in der es bereits von Menschen wimmelte, beobachtete Sera das bunte Treiben um sich herum. Als sie eben vorsichtig um die Ecke schaute, um den Sitz auszumachen, den Akmal für sie reserviert hatte und der in der ersten Reihe liegen sollte, war sie schockiert gewesen von der endlos scheinenden Strecke, die sie gleich unter den Augen der geladenen Gäste würde zurücklegen müssen.
Genau in dem Moment hatte sich die Sheikha, die dort bereits auf ihrem Platz saß, umgedreht, sie offensichtlich erspäht und ihr zugelächelt. Seitdem fühlte sich Sera etwas besser. Rafiqs Mutter hatte sie Cerak gegenüber verteidigt und in Schutz genommen, obwohl sie ihre Leidensgeschichte kannte.
In einer schwachen Stunde hatte sie der Sheikha ihr Herz ausgeschüttet und war bei ihr auf so viel Verständnis und Akzeptanz gestoßen, dass die schwärenden Wunden in ihrer Seele langsam zu heilen begannen.
Jetzt hatte Sera allerdings das Gefühl, als drohten sie wieder aufzureißen, und nichts wünschte sie sich mehr, als einfach von hier verschwinden zu können.
Unvermutet erfüllte der Klang von Trompeten die Luft, und gleichzeitig erstarb das Gemurmel um sie herum. Alle Köpfe wandten sich dem Haupteingang zu. Mit klopfendem Herzen suchte Sera noch tiefer im Schatten des Torbogens Schutz und wünschte sehnlichst, der Erdboden würde sich auftun und sie verschlingen.
Langsam bewegte sich eine Gruppe von Männern auf sie zu, unter denen, neben dem zukünftigen König von Qusay und den wichtigsten Ehrengästen, selbstverständlich auch Rafiq sein musste. Eine Hand auf ihr wehes Herz gepresst, senkte Sera den Blick. Doch als die Gruppe bei ihr anlangte, hielt sie die Anspannung nicht länger aus, hob zögernd die Lider … und begegnete dem zynischen Blick des Botschafters von Karakhistar.
Die burgunderfarbene Schärpe über der weißen Dishdasha spannte über dem feisten Leib und wirkte wie austretendes rotes Blut. Doch was Sera bis ins Innerste erschütterte, waren sein verachtungsvoller Blick und das geringschätzige Lächeln, mit dem er sie von oben bis unten musterte.
Schlagartig stand ihr der Abend vor Augen, als Hussein sie gezwungen hatte, an der offiziellen Festtafel die Tischdame des Botschafters zu spielen. Unter dem nahezu transparenten Oberteil, das sie nach dem Willen ihres Mannes trug, zeichneten sich ihre Brüste so herausfordernd ab, dass sie eigentlich damit hätte rechnen müssen, dass der schmierige Widerling an ihrer Seite irgendwann seine Finger nicht mehr bei sich behalten konnte, sondern versuchte, sie zu begrapschen.
Trotzdem traf es sie wie ein Faustschlag ins Gesicht, und sie hatte Mühe, rechtzeitig den Festsaal zu
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