Qual
auch keine neuen Einstellungen an der AVFT-Maschine vornehmen.«
»Nein. Statt dessen füttere ich sie mit vollständigen Beschreibungen von Experimenten.«
»Sie wählen das allgemeinste Modell sämtlicher Topologien, das möglich ist – aber dann brechen Sie die perfekte Symmetrie, indem sie die Existenz verschiedener experimenteller Bedingungen mit einhundert Prozent angeben?«
»Ja. Könnte ich vielleicht…?« Sie erhob sich von ihrem Platz und ging ins Schlafzimmer, um mit ihrem Notepad zurückzukehren. Sie zeigte mir den Bildschirm. »Hier ist ein Beispiel. Es handelt sich um ein simples Beschleunigungsexperiment, bei dem Protonen und Antiprotonen mit einer bestimmten Energie kollidieren, und ein Detektor registriert die Positronen, die in einem bestimmten Winkel und mit einem bestimmten Energiespektrum vom Kollisionspunkt ausgehen. Dieses Experiment wird in verschiedenen Formen seit achtzig oder neunzig Jahren durchgeführt.«
Die Animation zeigte den Aufriß eines Ringbeschleunigers und zoomte auf einen von mehreren Punkten, an denen sich die Partikelstrahlen aus entgegengesetzter Richtung trafen und ihre Trümmer in komplizierte Detektoren schleuderten.
»Ich will gar nicht erst versuchen, ein Modell des gesamten Versuchsaufbaus zu erstellen – einer zehn Kilometer durchmessenden Apparatur – auf dem subatomaren Niveau, Atom für Atom, als wollte ich mit einer Art ›naiven‹ UT beginnen, die mir irgendwie sagen könnte, daß all die supraleitenden Magneten bestimmte Felder mit bestimmten meßbaren Effekten erzeugen, daß die Wände der Röhre sich auf eine bestimmte Weise verzerren, entsprechend dem Druck, der auf sie ausgeübt wird, und daß die Protonen und Antiprotonen dann in entgegengesetzter Richtung beschleunigt werden. Aber der Punkt ist, daß ich all diese Dinge längst weiß. Also weise ich ihnen eine Wahrscheinlichkeit von einhundert Prozent zu. Ich nehme diese Tatsachen als eine Art Anker… und erst dann begebe ich mich auf das Niveau der UT, auf das Niveau der unendlichen Summen aller Topologien. Ich berechne die Konsequenzen meiner Vermutungen… und dann verfolge ich sie wieder zurück bis in den makroskopischen Bereich, um die Resultate des Experiments vorherzusagen, wie viele Male pro Sekunde der Positronendetektor ein Ereignis registrieren wird.«
Die Graphik veränderte sich entsprechend ihrer Erklärung, sie ging näher an die Anordnung der Detektoren heran, vor denen sich die Partikelspuren kreuzten, bis hinunter in den Schaum des Vakuums, in die fünfunddreißigste Zehnerpotenz unter dem sichtbaren Bereich, in das Chaos aus brodelnden Wurmlöchern und höherdimensionalen Deformationen, deren Topologien farblich klassifiziert waren, ein wimmelndes Nest aus bunten Schlangen, die in der Mitte des Bildschirms zu Weiß verschwammen, wo sie sich viel zu schnell bewegten und veränderten. Doch diese ansonsten vollkommen symmetrischen Zuckungen wurden dazu gezwungen, auf die Anwesenheit von Beschleuniger, Magneten und Detektoren zu reagieren – ein Prozeß, der durch eine leichte Blaufärbung des panchromatischen Weiß angedeutet war. Dann wurde der Ausschnitt zurückgezoomt, bis er wieder eine menschliche Skala erreicht hatte, um die Spuren dieser submikroskopischen Tendenzen im sichtbaren Verhalten der Schaltkreise des Detektors zu zeigen.
Die Animation war natürlich eine neunzigprozentige Metapher, ein farbenprächtiges Spektakel aus poetischer Freiheit – doch irgendwo mühte sich ein Super-Computer mit den ernsthaften, unmetaphorischen Berechnungen ab, die diesen Bildern eine Glaubwürdigkeit verliehen, die über die beeindruckenden Effektehinausging.
Und nach meinen hastigen und oberflächlichen Studien unverständlicher wissenschaftlicher Artikel und nach meinen Stoßseufzern über den nahezu undurchdringlichen mathematischen Dschungel der MSTs glaubte ich endlich einen Ansatz zum Verständnis der Philosophie von Mosala gefunden zu haben.
Ich sagte vorsichtig: »Statt den Prä-Raum als etwas zu sehen, aus dem sich das ganze Universum mit einem Streich ableiten läßt… betrachten Sie es vielmehr als eine Verbindung zwischen den Ereignissen, die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen können. Etwas, das die Menge der makroskopischen Dinge in dieser Welt… überbrückt. Ein Stern aus fusionierendem Wasserstoff und ein menschliches Auge aus kalten Proteinmolekülen sind über die Entfernung und energetische Vorgänge miteinander verbunden… können koexistieren und sich
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