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Qual

Qual

Titel: Qual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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kleineren Konferenzraum des Hotels. »Gehen Sie bitte behutsam mit ihr um!« sagte sie leise. »Dieser Spießrutenlauf war nicht gerade angenehm für sie.«
    »Ich kann mir kaum jemanden vorstellen, der sich an ihrer Stelle besser geschlagen hätte.«
    »Ich möchte Violet niemals zur Feindin haben, denn bevor sie zurückschlägt, hat sie alles gründlich durchdacht. Aber das bedeutet nicht, daß sie gar kein Herz hat.«
    Im Raum gab es einen Tisch und Sitzplätze für zwölf Personen, aber nur Mosala wartete hier auf mich. Ich hatte bereits mit einer Leibwache gerechnet – aber schließlich spielte sie trotz ihres Fanclubs noch nicht in der Rockstar-Liga. Und trotz Kuwales unheilvoller Andeutungen bestand wohl auch kaum die Notwendigkeit dazu.
    Mosala begrüßte mich freundlich. »Es tut mir leid, daß wir uns nicht schon früher treffen konnten, aber ich fürchte, ich habe mir dafür zu wenig Zeit übriggelassen. Nach den vielen Treffen mit Sarah Knight hatte ich gedacht, daß wir das Planungsstadium längst hinter uns gelassen hätten.«
    Viele Treffen mit Sarah Knight? Die Vorbereitungen hätten ohne die Zustimmung von SeeNet eigentlich nie einen solchen Umfang annehmen dürfen.
    »Es tut mir leid, daß Sie noch einmal alles über sich ergehen lassen müssen. Es kommt immer zu unvermeidlichen Wiederholungen, wenn ein neuer Produzent ein Projekt übernimmt.«
    Mosala nickte geistesabwesend. Wir setzten uns und gingen gemeinsam das gesamte Programm der Konferenz durch, um unsere Notizen zu vergleichen. Mosala bat darum, bei mehr als fünfzig Prozent der Veranstaltungen, an denen sie teilnahm, nicht gefilmt zu werden. »Ich würde verrückt werden, wenn Sie mich ständig beobachten würden, wenn ich ständig meine Miene unter Kontrolle halten müßte, nur weil ich mit irgendeiner Meinung nicht einverstanden bin.« Ich stimmte zu, doch dann feilschten wir darum, welche fünfzig Prozent es sein sollten, denn ich wollte auf jeden Fall einige Reaktionen aus den Gesprächen haben, bei denen insbesondere über ihre Arbeit diskutiert wurde.
    Wir einigten uns auf drei Interviewtermine, von jeweils zwei Stunden Dauer, der erste am Mittwochnachmittag.
    Mosala sagte: »Ich habe immer noch nicht richtig verstanden, welches Ziel Sie mit dieser Sendung verfolgen. Wenn die UTs das Thema sind, warum berichten Sie dann nicht über die ganze Konferenz, statt mich in den Mittelpunkt zu stellen?«
    »Für das Publikum werden die Theorien zugänglicher, wenn sie in Verbindung mit der Person präsentiert werden, die sie entwickelt hat.« Ich zuckte die Achseln. »Zumindest sind die Verantwortlichen der Networks davon überzeugt – und vermutlich haben sie inzwischen auch ihr Publikum davon überzeugt.« SeeNet stand für Science, Education and Entertainment Network, doch die Wissenschaft wurde neben der Bildung und Unterhaltung immer als der peinliche Punkt betrachtet, der am wenigsten Interesse weckte und den meisten Zuckerguß benötigte, um ihn den Zuschauern schmackhaft zu machen. »Mit einem Porträt dagegen können wir einige allgemeinere Themen ansprechen, was die Auswirkungen auf Ihr alltägliches Leben betrifft. Zum Beispiel die Ignoranzkulte.«
    »Meinen Sie nicht«, erwiderte Mosala trocken, »daß diese Leute schon genügend Öffentlichkeit haben?«
    »Sicher – aber in den meisten Fällen können sie sich selbst darstellen. Dieser Bericht wäre eine gute Gelegenheit für die Zuschauer, sie durch Ihre Augen zu sehen.«
    Sie lachte. »Sie wollen, daß ich Ihrem Publikum sage, was ich von den Kulten halte? Sie würden keine Gelegenheit zu anderen Fragen erhalten, wenn ich erst einmal loslege.«
    »Sie könnten sich auf die drei großen beschränken.«
    Mosala zögerte. De Groot warf mir einen warnenden Blick zu, den ich jedoch ignorierte. »Kultur zuerst!?« sagte ich.
    »Kultur zuerst! ist der jämmerlichste Haufen von allen. Sie ist die letzte Zuflucht für Menschen, die sich verzweifelt für ›Intellektuelle‹ halten, jedoch in wissenschaftlicher Hinsicht absolute Analphabeten sind. Die meisten von ihnen sehnen sich nach jenen Zeiten zurück, als ein Drittel des Planeten von Menschen beherrscht wurde, deren Definition von Bildung und Zivilisation aus ein paar Dutzend lateinischer Zitate, europäischer Militärgeschichte und ausgewählten Knittelversen einer Handvoll erwachsener Schuljungen bestand.«
    Ich grinste. »Mystische Renaissance?«
    Mosala lächelte ironisch. »Diese Leute meinen es wirklich nur gut, nicht

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