Qual
enthielt viele vertraute Begriffe und zahlreiche Gleichungen, die ich bereits gesehen hatte, doch sobald er begann, etwas mit diesen Gleichungen zu tun, mußte ich passen. Ab und zu ließ er Graphiken projizieren, verschlungene grau-weißeRöhren mit grünen Gitternetzen als Oberfläche, die von hellroten geodätischen Linien umwunden wurden. Vektoren sprossen senkrecht zueinander aus einem Punkt, um sich dann zu einer Schleife oder einem Knoten zu verschlingen. Bevor ich auch nur eine Ahnung entwickeln konnte, was diese Diagramme darstellen sollten, wandte sich Buzzo mit einer wegwerfenden Geste vom Schirm ab und sagte etwas wie: »Leider kann ich Ihnen den wesentlichen Aspekt nicht zeigen – was im Bündel der linearen Bezugsrahmen geschieht –, aber ich bin überzeugt, daß Sie alle es sich vorstellen können, wenn Sie einfach davon ausgehen, daß diese Oberfläche in zwölf Dimensionen eingebettet ist…«
Ich saß zwei (leere) Sitze links von Mosala, aber ich wagte es kaum, in ihre Richtung zu schauen. Wenn ich es tat, blickte sie weiterhin unverwandt auf Buzzo, aber jedesmal erstarrte ihr Gesichtsausdruck. Ich konnte mir kaum vorstellen, mit welchen Mitteln ich ihrer Überzeugung nach den Vertrag für diese Dokumentation an mich gerissen hatte. (Bestechung? Erpressung? Sex? Als ob es bei SeeNet jemals so durchtrieben und unterhaltsam zuginge!) Doch im Grunde spielte es gar keine Rolle, wie ich es angestellt hatte, denn die Ungerechtigkeit des Endresultats war nichtsdestoweniger offensichtlich.
»Dieses Pfadintegral ergibt also eine Invariante!« sagte Buzzo. Sein letztes Diagramm aus verknoteten Röhren löste sich plötzlich in einen amorphen graugrünen Nebel auf – was den Übergang von einer konkreten Raumzeit zu ihrer Generalisierung im Prä-Raum symbolisieren sollte – doch die drei Vektoren, die dieses simulierte Universum umschlossen, blieben fixiert. ›Invarianten‹ waren in einem Modell sämtlicher Topologien solche physikalische Größen, die sich nachweislich unabhängig von Faktoren wie die Krümmung der Raumzeit in den betreffenden Regionen verhielten – und selbst von der Anzahl der Dimensionen. Die Entdeckung solcher Invarianten war die einzige Methode, um eine schlüssige Physik aus der entmutigenden Unbestimmtheit des Prä-Raums entstehen zu lassen. Ich fixierte meinen Blick auf Buzzos solide Vektoren. Also war ich doch nicht völlig verloren.
»Aber das ist offensichtlich. Jetzt kommt der schwierige Teil: Stellen Sie sich vor, daß sich dieser Operator auch auf Räume erstreckt, in denen die Ricci-Krümmung nicht definiert ist…«
Jetzt war ich verloren.
Ich überlegte ernsthaft, ob ich noch einmal Sarah anrufen sollte, um sie zu fragen, ob sie vielleicht doch Violet Mosala übernehmen würde. Ich hätte ihr die Aufnahmen zur Verfügung gestellt, die ich bis jetzt gemacht hatte, hätte den Verwaltungskram mit Lydia geklärt und mich dann irgendwo verkrochen, um mich zu erholen – von Ginas Trennung, von Gepanschtes DNS – ohne vorgeben zu müssen, daß ich irgend etwas anderes tat, als zu genesen. Ich sagte mir, daß ich es mir nicht leisten konnte, eine Weile nicht zu arbeiten, nicht einmal für einen Monat. Nicht daß mir der Hungertod gedroht hätte – es ging nur darum, was ich gewohnt war – und ohne jemanden, der einen Teil der Miete übernahm, mußte ich sowieso in eine neue Wohnung ziehen. Qual hätte mir ein weiteres Jahr oder mehr im grünen, beschaulichen Eastwood ermöglicht, aber ganz gleich, was ich jetzt tat, ich befand mich auf dem direkten Weg zurück zum Stadtrand.
Ich weiß nicht, was mich davon abhielt, einfach aufzustehen und mich diesem unverständlichen Vortrag und Mosalas berechtigtem Widerwillen zu entziehen. Stolz? Dickköpfigkeit? Trägheit? Vielleicht war es letztlich nur die Anwesenheit der Kulte. Walshs Taktik konnte nur häßlicher werden – und angesichts dessen wäre es eine Schande gewesen, dieses Projekt aufzugeben. Ich hatte mich SeeNets Drängen nach Frankensteinologie in Gepanschtes DNS gebeugt, und dies war meine Chance, Buße zu tun, indem ich der Welt einen Menschen zeigte, der seine Stimme gegen die Kulte erhob. Und trotz Kuwales Mahnungen sah es nicht danach aus, daß die Rhetorik in Gewalt übergehen sollte. Hier ging es um obskure Physik und nicht um Biotechnik, und selbst auf der Bioethik-Konferenz in Sambia, wo ich Walsh das letzte Mal gesehen hatte, waren es die Leute von Das Bild Gottes gewesen – nicht von Demütige
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