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Qual

Qual

Titel: Qual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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richtigen Kontext stellen. Janet Walsh hat es gewagt, Sie zu beleidigen, und auf der Medienkonferenz haben Sie sich zurückgehalten, aber anschließend konnten Sie Ihre Meinung detailliert erläutern. Was ist daran falsch? Oder lassen Sie sich von der Demütigen Wissenschaft zensieren?«
    Mosala schloß kurz die Augen und sagte dann langsam: »Das ist meine Meinung, ja, und ich stehe dazu. Aber ich habe auch das Recht zu entscheiden, wer sie hören darf und wer nicht. Ich möchte keine neue Unruhe in das brisante Durcheinander bringen. Würden Sie also bitte meine Wünsche respektieren und mir versprechen, daß Sie nichts davon benutzen werden?«
    »Wir müssen es nicht hier und jetzt entscheiden. Ich kann Ihnen einen Rohschnitt schicken…«
    Mosala winkte ab. »Ich habe ein Abkommen mit Sarah Knight unterzeichnet, daß ich jederzeit mein Veto einlegen kann, ohne daß Fragen gestellt werden.«
    »Das war eine Sache zwischen Ihnen und ihr, die nichts mit SeeNet zu tun hat. Mit SeeNet haben Sie lediglich die Standard-Vereinbarungen abgeschlossen.«
    Mosala wirkte nicht sehr glücklich. »Wissen Sie, was ich Sie eigentlich fragen wollte? Sarah sagte, Sie würden mir erklären, warum Sie das Projekt so überstürzt von ihr übernommen haben. Nachdem sie bereits soviel Arbeit hineingesteckt hatte, erhielt ich von ihr nur eine zehn Sekunden lange Nachricht, in der es hieß: Es ist nicht mehr mein Projekt, Andrew Worth ist der neue Produzent, er wird Ihnen den Grund dafür nennen.«
    »Sarah scheint Ihnen einen falschen Eindruck vermittelt zu haben«, sagte ich vorsichtig. »SeeNet hatte ihr niemals den offiziellen Auftrag erteilt, die Dokumentation zu machen. Und die erste Kontaktaufnahme und Vorbereitung lief ausschließlich über SeeNet – nicht über Sarah. Es war keineswegs ein freies Projekt, das sie in Eigenregie entwickelte, um es dem Network anzubieten. Es war ein SeeNet-Projekt, das sie unbedingt übernehmen wollte. Deshalb hat sie eine Menge Privatzeit investiert, um sich dafür zu qualifizieren.«
    »Aber warum hat sie den Auftrag nicht bekommen?« fragte De Groot. »All die Vorbereitungen, all die Recherchen, all die Begeisterung… warum hat es sich für sie nicht gelohnt?«
    Was sollte ich darauf antworten? Daß ich ihr das Projekt vor der Nase weggeschnappt hatte – der einzigen Person, die es verdient hatte, die Dokumentation zu machen… damit ich einen bezahlten Urlaub im Südpazifik verbringen konnte, weit weg von den Greueln der Frankensteinologie?
    »Die Network-Manager leben in ihrer eigenen Welt«, sagte ich. »Wenn ich verstehen würde, wie sie ihre Entscheidungen treffen, würde ich vermutlich schon längst in ihrer Runde sitzen.«
    De Groot und Mosala betrachteten mich mit ungläubigem Schweigen.

 

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12

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    TechnoLalia, der größte Konkurrent von SeeNet, etikettierte Henry Buzzo beharrlich als ›renommiertesten Guru der Post-Millenium-Physik‹ – und ließ immer wieder durchblicken, daß er sich so schnell wie möglich zur Ruhe setzen sollte, um das Feld jüngeren Kollegen zu überlassen, die mit dynamischeren Klischees jonglierten: Wunderkinder und enfants terribles, die ›auf der unendlich-dimensionalen nouvelle vague des Prä-Raums surften‹. (Lydia verachtete TL als pseudointellektuelles Trend-Network, als ›Zeitgeist ohne Geist‹. Ich schloß mich diesem Urteil bedingungslos an, aber ich hegte insgeheim die Befürchtung, daß SeeNet allmählich in dieselbe Richtung abdriftete.) Buzzo hatte sich den Nobelpreis von 2036 mit den sieben weiteren Architekten der Allgemeinen Vereinheitlichten Feldtheorie geteilt – doch nun setzte er alles daran, sie niederzureißen oder zumindest zu verbessern. Ich fühlte mich an zwei Physiker aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert erinnert: J. J. Thompson, der die Existenz von Elektronen als Partikel bewiesen hatte, und George Thompson, seinen Sohn, der nachgewiesen hatte, daß sie sich auch wie Wellen verhalten konnten. Es war eine Erweiterung der Theorie und kein Widerspruch gewesen – und zweifellos hoffte Buzzo, einen ähnlichen Fortschritt innerhalb nur einer Generation zu leisten.
    Buzzo war ein großer, kahlköpfiger Mann mit runzliger Haut, dreiundachtzig Jahre alt, aber ohne Anzeichen von Gebrechlichkeit. Er war ein lebhafter Redner und schien sehr anregend auf sein Publikum aus MST-Spezialisten zu wirken… doch seine obskuren Scherze, über die sie sich schieflachten, gingen über meinen Horizont. Seine Einführung

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