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Quarantäne

Quarantäne

Titel: Quarantäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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der sichtbar ihre Aufmerksamkeit manipuliert, ohne ihre Hirnfunktion im Detail festzulegen, dann ist es sehr wahrscheinlich, daß sie jederzeit eine gute Begründung für ihr Tun liefern könnten. Und wenn das Gehirn dazu in der Lage ist – gleich in zwei Fällen –, dann kann es auch nicht schaden, wenn ich unbewußt in diesen Vorgang eingreife – da ich ja sehe, was sie tun, doch blind bin für ihre Gedanken.
    Zwischen dem zwölften und elften Stockwerk höre ich, wie sich unter mir eine Tür öffnet. Ich bleibe wie erstarrt stehen, überlege, ob ich mich zurückziehen soll – aber bevor ich noch etwas tun kann, kommt ein Ingenieur die Stufen hoch und geht an mir vorbei. Er pfeift vor sich hin, ziemlich unmusikalisch.
    Ich lasse mich gegen die Wand sinken. Einige Sekunden später schlägt die Tür zum dreizehnten Stock zu. Hat er mich gesehen? Er war in Eile, er hätte so oder so nicht auf mich geachtet –, aber kann mein verschmiertes Ich das auseinanderhalten? (Warum sorgte es nicht dafür, daß der Mann aus dem verdammten Treppenhaus blieb, bis ich unten war?)
    Bin ich kollabiert oder nicht?
    Ich hole das Würfelspiel aus der Tasche und schalte ein.
    Eins, eins. Und wieder. Und wieder. Und noch einmal.
    Mir fällt ein Stein vom Herzen… aber was ich da versuche, ist doch krankhaft, irrwitzig. Wenn ich kollabiert wäre, klar, dann wäre dieses Ergebnis absolut unwahrscheinlich… aber wenn ich verschmiert bin, dann habe >ich< doch alle möglichen Ergebnisse gleichzeitig produziert – also vermindere ich die Wahrscheinlichkeit jenes einen erfolgreichen Eigenzustands, indem ich immer neue Anforderungen an meine verschmiertes Ich stelle und immer neue Versionen von mir erzeuge, die wissen, daß sie am Ende nicht realisiert werden.
    Und habe ich etwa bewiesen, daß ich derjenige bin, der den Kollaps überlebt? Oder zumindest jemand, der eng verwandt ist mit mir, ein >Nachkomme<, ein >SohnNachkommen< geben, die vier Einserpaare würfelten.
    Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu glauben, daß ich derjenige bin, der am Ende übrig bleibt.
    Ich gehe weiter.
    Ich stehe jetzt in Wechselwirkung mit dem Ingenieur und muß ihn daran hindern, das System Nick/Po-kwai/Wächter I und II zu kollabieren. Was ist mit den anderen Leuten seiner Schicht? Ich wage den Gedanken kaum zu denken, doch gehe ich weiter. Selbst wenn er nicht im Treppenhaus >gewesen< wäre – was immer das heißen mag, wenn wir noch immer verschmiert sind –: Würde die bloße Tatsache, daß er hätte dort sein können, ausreichen, um unsere Wellenfunktionen zu koppeln? Ich bin schließlich auch mit Po-kwai gekoppelt, ohne daß diese Version von mir sie überhaupt zu Gesicht bekommen hätte, seit ich verschmiert bin.
    Ich trete aus dem Treppenhaus ins Erdgeschoß und durchquere die Halle. Ich starre die Wachen an, die ihrerseits vor sich hinstarren. Ich versuche >so gut ich kann< herauszufinden, ob ich gesehen werde – weil das meinem verschmierten Ich die Auswahl des richtigen Zustands erleichtert.
    Die Flügel der Eingangstür gleiten auseinander, ich bin draußen auf dem Vorplatz, der sich wie eine kleine Bucht zur Straße öffnet. Die Sicht ist durch eine Reihe Imbißbuden versperrt, die um diese Zeit geschlossen sind. Von dort dringt Rufen und Lachen an mein Ohr, etwas entfernt surren Fahrräder vorbei – aber Gott sei Dank kommt niemand in Sicht, während ich um das Gebäude herum zum Parkplatz gehe, wo mich ein Robotlieferwagen erwartet. Einmal sehe ich mich um, ob nicht ein Wächter mir folgt, der einen Augenblick zu früh aus seiner Trance erwacht ist. So etwas muß auch passiert sein… aber nicht mir.
    Es ist noch früh, ich liege sehr gut im Zeitplan. Ein Uhr sieben, der Lieferwagen ist auf ein Uhr zwanzig programmiert. Ich steige hinten ein und bleibe im dunklen Laderaum sitzen. Daß ich hier bin, hat keinen Einfluß auf das, was das Auto tut. Route und Zeitplan sind längst programmiert, ohne mein Zutun, und niemand, der den Kurs des Autos verfolgt, beobachtet deshalb mich. Er kann nur das Fahrzeug selbst kollabieren – es auf einen Zustand und eine feste Bahn von hier zu BDI beschränken, was irgendwie tröstlich ist. Etwas, woran man sich halten kann. Ich weiß nicht, ob das

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