Quarantäne
abgesehen von der hiesigen Forschungsgruppe für Osteoplastik handelt es sich um die üblichen Kliniken auf Kundenfang. Damit ist noch nichts bewiesen, doch wüßte ich nur zu gerne, was für Aufträge BDI in letzter Zeit tatsächlich ausgeführt hat.
Fast hätte ich wieder Bella angerufen, doch überlege ich es mir anders. Falls ich auf der richtigen Spur bin, dann sollte ich vorsichtiger sein. Bella ist phantastisch, aber kein Hacker kann die Hand dafür ins Feuer legen, daß er nicht seinerseits bespitzelt wird – und im Augenblick kann mir gar nichts Dümmeres passieren, als daß ich auf irgendeine Weise die Kidnapper verschrecke. Sollten sie sich veranlaßt fühlen, Laura in ein neues Versteck zu bringen…
In einem Firmenverzeichnis findet sich Näheres über BDI. An der Börse wird das Unternehmen nicht geführt, das ist günstig, wenn man möglichst viele Firmeninterna für sich behalten will. Gegründet 2065. Im Alleinbesitz eines Bürgers von Neu-Hongkong, Wei Pai-ling. Ich habe schon gehört von ihm, ein nicht allzu reicher Unternehmer mit weitgespannten Geschäftsinteressen, die zwar nicht spektakulär, aber einträglich sind.
Es ist halb drei. Ich schalte Chiffre ab und lasse mich ins Bett fallen. Biomedical Development International. Vielleicht hatte ich doch recht, von Anfang an, vielleicht bereitet sich ein Pharmahersteller auf eine Klage vor, weil sein Produkt für den Schaden an Lauras Gehirn verantwortlich ist. Alles würde passen… Na ja, beinahe. Warum hätte BDI – oder wer immer den Auftrag hatte, Laura zu entführen – zweimal im Hilgemann einbrechen und sie aus ihrem Zimmer holen sollen, bevor man dann Ernst machte? Warum hätte überhaupt irgend jemand so etwas tun sollen? Der blanke Irrsinn. Wenn der Eindruck erweckt werden sollte, Laura könnte sich selbst befreien: Wer war es, der das glauben sollte?
Während ich zur Decke starre und auf den Schlaf warte, geht mir die Sache mit dem Horoskop noch einmal durch den Kopf. Karen ist nicht an das gebunden, was Karen tat oder nicht tat; manchmal ist sie so, wie es meinen Erinnerungen entspricht, manchmal gehorcht sie meinen Wunschträumen, und manchmal tut sie Dinge, die mir so unverständlich sind wie das Geschehen in einem wirren, bedrückenden Traum. Aber warum um alles in der Welt sollte ich >träumen<, daß sie mich um ein Horoskop für Laura bittet? War es nichts weiter als Extravaganz? Karen hätte so etwas nie getan, nicht in einer Million Jahre.
Ich will mich entspannen, versuche, es zu vergessen – es gelingt nicht. Und es entgeht mir auch nicht die Ironie: Nichts beleidigt meine Intelligenz mehr als das krankhafte Suchen nach Bedeutung, wo es keine gibt – Religion, Astrologie, Aberglaube jeder Art. Und nun liege ich da und zerbreche mir den Kopf darüber, was mir eine vom Unbewußten gesteuerte Halluzination meiner verstorbenen Frau wohl zu sagen hat. Bin ich unter die Geisterbeschwörer gegangen?
Horoskope. Günstige und ungünstige Sterne am Tag der Geburt. Mir läuft es kalt über den Rücken. Ich nehme mir noch einmal die gestohlenen Hilgemann-Akten vor. Laura wurde am dritten August 2035 geboren. Das Baby kam etwas zu früh; in den Akten steht, daß die Schwangerschaft nicht länger als sieben- bis achtunddreißig Wochen dauerte. Das heißt, daß die Befruchtung innerhalb von sieben Tagen um den fünfzehnten November 2034 herum stattgefunden hat. Vielleicht am Barrieren-Tag selbst.
Für sich genommen bedeutete das gar nichts. Weder für mich noch für Karen. Und sicher gab es zehn Milliarden Menschen auf diesem Planeten, denen es völlig gleichgültig war, ob Lauras Vater gerade seinen Orgasmus hatte, als die Sterne erloschen.
Es hatte nichts zu bedeuten, es spielte keine Rolle, und es half nichts. Nichts konnte gewährleisten, daß etwas Harmloses und Zufälliges auch harmlos und zufällig blieb.
Die Frage war: Was bedeutete es den Kindern des Chaos?
Marcus Duprey war am Barrieren-Tag geboren worden, in einer Kleinstadt namens Hartshaw in Maine/USA. Es muß irgendwann während der letzten sechzehn Minuten gewesen sein, an denen die Sterne noch am Himmel funkelten. In welchem Alter er anfing, dieser Tatsache Bedeutung beizumessen, läßt sich nur erraten. Duprey selbst schweigt sich darüber aus, und seine Eltern, Großeltern, Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen, seine Lehrer und die meisten seiner Schulkameraden können nicht mehr reden. Sie alle starben an seinem zwanzigsten Geburtstag, den er dadurch
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