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Quarantäne

Quarantäne

Titel: Quarantäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Modul kennt es). Ich erkläre, daß ich den Fall aus Gesundheitsgründen abgeben muß, und bitte um Angabe eines Kontos, damit ich den Vorschuß zurückerstatten kann.
    Während ich so die Hinterlassenschaft meines bisherigen Lebens regle, wird mir mehr und mehr klar, wie geschickt das Vorgehen meiner neuer Herren ist. Anstatt mich umzubringen, engagieren sie mich einfach – und haben sich so die Unannehmlichkeiten erspart, die das Beseitigen einer Leiche mit sich bringt. Sie müssen nicht die Spuren verwischen, die ich in diversen Computersystemen hinterlassen habe, müssen nicht die Polizei in die Irre führen. Ein paar kleine, unschuldige Lügen, mehr braucht es nicht – und überhaupt, was kann einem perfekten Verbrechen dienlicher sein als die aufrichtige Mitarbeit des Opfers?
    Am Nachmittag führt mich Huang durch das BDI-Gebäude.
    An die hundert Leute arbeiten dort, meist Wissenschaftler und Ingenieure, doch sagt man mir nur wenig darüber, woran und für wen sie arbeiten. Chen Ya-ping (die Frau, die mich verhörte) ist für die Sicherheit verantwortlich, sie hat aber auch in Verwaltungs- und wissenschaftlichen Angelegenheiten mitzureden; ihr offizieller Titel lautet >Abteilungsleiter Logistik<. Sie fragt mich noch einmal aus – diesmal ohne eine Pistole an meinem Kopf – und scheint enttäuscht zu sein, daß meine Geschichte tatsächlich noch dieselbe ist. Nur in einem Punkt habe ich gelogen, gestehe ich, und das betrifft meine Spekulationen über den Grund von Lauras Entführung. Als ich ihr die beiden Theorien nenne, die ich ihr vorenthalten habe, läßt sie sich nicht das geringste anmerken. Mühsam schlucke ich meine Enttäuschung hinunter. Die INITIATIVE bedeutet mir alles, und ich möchte auch alles darüber wissen. Aber ich verstehe natürlich, daß Vertrauen erst einmal verdient werden muß; das bleibt mir trotz Loyalitätsmodul nicht erspart.
    Später zeigt sie mir einige Hochglanzprospekte mit den neuesten Geräten, die das Überwachungssystem chamäleonsicher machen sollen. So taktvoll wie möglich bringe ich ihr die schlechte Nachricht bei: daß der neueste Chamäleontyp, der Ende des Monats auf den Markt kommt, auch die teuerste Nachrüstung wirkungslos macht. Meine Verbindungen reichen nicht aus, sie auf die Interessentenliste der Hersteller zu bringen, aber ich verspreche, sie auf diesem Gebiet von nun an auf dem laufenden zu halten.
    Die Sicherheitsabteilung besteht aus vier Leuten, die ich alle schon kenne. Außer Huang Qing sind da noch Lee Soh Lung (die mir im Keller die Spritze verpaßte), Yang Wen-li und Liu Hua (der Bewacher in meiner Wohnung). Lee ist die Älteste in unserem Team und für den Dienstplan zuständig. Sie führt mich in meine Arbeit ein. Es sind immer zwei Mann im Einsatz, vierundzwanzig Stunden am Tag und sieben Tage die Woche. Das ergibt, bei insgesamt fünf Mann, eine Schicht von genau neun Stunden und sechsunddreißig Minuten. Ich bin von 19 Uhr 12 bis 4 Uhr 48 dran, und zwar schon heute abend.
    Am frühen Abend rufe ich meine Eltern an, die auf Europareise sind. Ich erreiche sie in Potsdam. Sie scheinen erleichtert zu sein, daß ich endlich wieder eine feste Stelle habe. Und warum nicht in den Norden auswandern? »Neu-Hongkong ist doch voller Möglichkeiten, nicht wahr?« sagt meine Mutter einigermaßen ahnungslos. In Deutschland wird es wieder einmal ungemütlich, höre ich, die Sächsische Befreiungsfront sprengt wieder Züge in die Luft.
    Bis Mitternacht hat Huang mit mir zusammen Dienst. Ich aktiviere meine Einsatzmodule während der Schicht. Auch meine Kollegen sind mit einem Modul ausgerüstet, Sentinel heißt es und ist im wesentlichen das zivile Gegenstück zu E3. Ob noch jemand außer mir ein Loyalitätsmodul mit sich herumträgt, traue ich mich trotz meiner Neugier nicht zu fragen, das wäre taktlos. Außer den üblichen Kontrollgängen durchs Haus und über das Gelände, zu ständig wechselnden Zeiten, gibt es kaum etwas zu tun für uns. Sogar das Bild der Überwachungskameras wird per Computer ausgewertet. Das soll nicht heißen, daß wir überflüssig sind; ein Computer hätte mich nicht daran hindern können, in jener Nacht mit Laura zu entkommen – doch nicht überflüssig zu sein heißt nicht schon, daß man auch Beschäftigung hat. Wir vertreiben uns die Zeit zwischen den Kontrollgängen mit Kartenspielen oder Schach, obwohl wir darauf nicht angewiesen sind, denn unsere Module lassen gar nicht zu, daß wir uns langweilen. Aber Huang, der

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