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Quarantäne

Quarantäne

Titel: Quarantäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Träumen verschwunden. E3 arbeitet perfekt. Karen ist nicht wieder aufgetaucht. Sehr vorsichtig und so taktvoll wie möglich frage ich Lee Hing-cheung nach seinen Modulen, aber das ist rasch abgetan: Sentinel, Dossier, Transmitter – mehr ist es nicht, und abgesehen von jenem inzwischen überwundenen Problem beim Ionenexperiment gibt es nichts, worüber er sich beklagen könnte.
    Meine Entschlossenheit, den Grund für das merkwürdige Entgleisen meiner eigenen Module dingfest zu machen, hat deutlich nachgelassen – und überdies macht es keinen Sinn, einen Arzt oder Neurotechniker zu konsultieren, wenn ich keine akuten Symptome vorzuweisen habe. Natürlich ist es mir auch viel lieber, daß ich nicht irgendwelchen Leuten, die es nichts angeht, von meinem Loyalitätsmodul erzählen muß. Doch schwöre ich mir feierlich, beim geringsten Anzeichen einer Störung mich um Abhilfe zu kümmern. Aber als Tag um Tag vergeht, ohne daß etwas passiert, wächst meine Hoffnung, daß das Problem sich von selbst erledigt hat.
    Die Befürchtung, daß meine Wißbegier mich am Ende auf eine Erklärung für Lauras >Telekinese< stoßen lassen würde, die so überraschend wie banal ist, hat sich zum Glück nicht erfüllt. Nur schwer hätte ich einen solchen Widerspruch zwischen meinen Gefühlen für die INITIATIVE und der Einsicht ertragen, daß ihre Ziele nicht weniger profan und gewinnorientiert sind als die anderer Unternehmen auch. Was ich von Po-kwai gehört habe, ist mehr, als ich je zu hoffen wagte. Und was die INITIATIVE erforscht, könnte uns einem Verständnis von Welt und Wirklichkeit an sich und den Wurzeln unserer eigenen Existenz näherbringen – und vielleicht sogar dem Geheimnis der Barriere. Jetzt schäme ich mich dafür, daß ich je glauben konnte, daß der einzige Zweck dieser großartigen Allianz für den Fortschritt das Ausbeuten von Lauras Talent sein könnte. Ich hätte es besser wissen müssen!
    Aber was wäre gewesen, wenn es tatsächlich nur um Profit gegangen wäre?… Dann wäre die INITIATIVE noch immer das Wichtigste in meinem Leben, dafür sorgte das Loyalitätsmodul. Daß ich so etwas wie Desillusionierung fürchtete und nun jubiliere, weil es dazu nicht gekommen ist, scheint gleichermaßen absurd. Ich sage es mir immer wieder, doch kann ich diese Gedanken nicht aus meinem Kopf verbannen.
    Das gilt auch für Po-kwais zutiefst bestürzende Behauptung, daß das Leben auf der Erde für den Rest des Universums eine tödliche Bedrohung bedeuten könnte. Der Gedanke, daß die Menschheit ein bösartiges Geschwür darstellt – oder dargestellt hat –, das den Kosmos zerfrißt und auf einen Bruchteil seiner Möglichkeiten reduziert, bis hin zum ungewollten Genozid unvorstellbaren Ausmaßes, ist zwar als abstrakte Behauptung leicht nachvollziehbar – doch faßbar ist er nicht. Mein Entsetzen wandelt sich rasch in Ungläubigkeit. Es kommt mir vor, als hätte mir jemand einen dieser mathematischen Scheinbeweise vorexerziert, an dessen Ende herauskommt, daß Eins gleich Null ist. Aber mit Skepsis allein läßt sich nichts widerlegen, man muß schon einen Fehler in der Argumentation finden. Als ich am späten Nachmittag zum Dienst erscheine, legt Po-kwai bereitwillig ihr Buch beiseite, und wir stürzen uns erneut in die Debatte.
    Ich sage: »Sie haben selbst zugegeben, daß es ein extrem geozentrischer Blickwinkel ist.«
    Sie zuckt mit den Schultern. »Das gilt nur, wenn wir die ersten waren. Vielleicht waren wir es nicht; vielleicht ist es auf Tausenden anderer Planeten schon eine Milliarde Jahre früher passiert. Wir werden das wohl niemals beweisen können. Aber nachdem wir nun den Teil unseres Gehirns identifiziert haben, der die Wellenfunktion kollabieren läßt, wäre etwas anderes geozentrisch: wenn wir nämlich unterstellen würden, daß jede andere intelligente Lebensform im Universum genau dasselbe tun würde.«
    »Aber ich bin gar nicht so überzeugt davon, daß man einen solchen Gehirnabschnitt identifiziert hat. Es ist doch keineswegs schon bewiesen, daß Sie die Wellenfunktion nicht zum Kollaps bringen; fest steht nur, daß das Modul aktiv wird, bevor das System kollabieren kann – was auch immer der Grund dafür ist. Vielleicht stimmt sogar eine der alten Theorien, daß es zum Kollaps immer dann kommt, wenn das System groß genug geworden ist – und das Modul greift ein, kurz bevor der kritische Wert erreicht ist… es klemmt noch rasch einen Fuß in die Tür, bevor es zu spät ist.«
    »Und was

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