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Quarantäne

Quarantäne

Titel: Quarantäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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sie mit ihr machen, wenn sie nun nicht mehr mitmachen wollte?«
    »Dann werden wir sie zu beschützen wissen und uns selber dazu. Wir werden diese Pseudo-INITIATIVE zu Fall bringen.«
    Schon während ich es sage, wird mir klar, wie lächerlich das ist. Aber Lui sagt nur: »Eines Tages schon. Aber das wird nicht aus einer Laune heraus geschehen. Wir werden handeln, wenn wir stark genug sind, um zu siegen. Wir müssen abwarten und jeden Vorteil nutzen, der sich uns bietet.« Er macht eine Pause – gerade lange genug, daß mein zögerndes Schweigen als Zustimmung erscheinen muß – und fügt dann hinzu: »So wie diesen.«
    »Po-kwai verliert die Kontrolle über das Modul, ich werde wahnsinnig – was für ein Vorteil soll das sein?«
    Er schüttelt den Kopf. »Sie werden nicht >wahnsinnig<. Einige Ihrer Module funktionieren nicht nach Plan, das ist alles. Und warum? Weil E3 beispielsweise als Abschirmung gegenüber ungünstigen, unerwünschten Bewußtseinszuständen gedacht ist – aber irgendwie schaffen Sie es, diese Abschirmung zu durchtunneln. Deshalb spüren Sie plötzlich Langeweile, deshalb sind Sie unkonzentriert und Gefühlen ausgeliefert. Alles das dürfte gar nicht möglich sein, ist extrem unwahrscheinlich – und doch passiert es. Und bei jedem Testlauf eines Moduls stellen Sie fest, daß es intakt ist. Aber das heißt eben nur, daß das System als solches fehlerfrei arbeitet… nur sind die Möglichkeiten des Systems nicht mehr dieselben. Erinnert Sie das an etwas?«
    Mir schaudert. »Wenn das heißen soll, daß Po-kwai mich nicht anders manipuliert als ihre Silberionen auch… wie kann das sein? Gut, sie kann die Wahrscheinlichkeiten in einem verschmierten System verändern, etwa den Spin irgendwelcher Atome, aber was hat das mit mir zu tun? Ich bin doch genau das Gegenteil eines verschmierten Systems: Ich bringe die Wellenfunktion zum Kollaps, oder nicht?«
    »Natürlich tun Sie das – aber wie oft?«
    »Ständig.«
    »Was meinen Sie mit >ständig    »Ist es nicht so?«
    »Nein. Wie könnte das sein? Auch Ihr Körper besteht aus Atomen, und Atome sind quantenmechanische Systeme. Nehmen Sie einmal an – und das ist noch ganz bescheiden –, daß ein durchschnittliches Atom in Ihrem Körper, wenn es für eine Millisekunde nichtkollabiert bleibt, sich für zehn verschiedene Möglichkeiten entscheiden könnte. Das heißt, daß es in dieser Millisekunde über zehn potentielle Eigenzustände verschmiert ist; einige davon sind wahrscheinlicher als andere, doch solange das System nicht kollabiert, schließt das ihre Koexistenz nicht aus.
    Nach zwei Millisekunden gibt es schon hundert verschiedene Möglichkeiten, für die das Atom sich >entscheiden< könnte: zehn mögliche Zustände, von denen aus sich je zehn weitere Zustände ergeben können. Das heißt, daß das System nun über hundert potentielle Eigenzustände verschmiert ist. Nach drei Millisekunden sind es dann tausend, und so weiter.
    Jetzt nehmen Sie noch ein zweites Atom dazu. Mit jedem möglichen Zustand des ersten Atoms kann einer von zehn Zuständen des zweiten Atoms auftreten. Die Zahl der Möglichkeiten multipliziert sich. Wenn ein einzelnes Atom sich über tausend Zustände verschmieren kann, dann sind es bei einem System aus zweien schon eine Million Zustände. Drei Atome – eine Milliarde. Nun rechnen Sie noch ein bißchen weiter, bis Sie die Größenordnung eines sichtbaren Objekts erreicht haben – ein Sandkorn, ein Grashalm, der menschliche Körper. Das ergibt astronomische Zahlen… und mit jeder Millisekunde wachsen sie weiter.«
    Mit einem Kopfschütteln versuche ich meine Benommenheit zu verscheuchen. »Und… wann hört es jemals auf?«
    »Darauf wollte ich gerade kommen. Wenn zwei verschmierte Systeme miteinander in Wechselwirkung treten, dann sind sie nicht länger zwei getrennte Systeme. Man muß sie wie ein einheitliches Ganzes behandeln, sagt die Quantenmechanik, und man kann nicht eines von beiden pieken, ohne daß es Auswirkungen auf das gesamte System hätte. Wenn Po-kwai ein verschmiertes Silberion beobachtet, dann entsteht ein neues System: Po-kwai plus Silberion – mit doppelt so vielen Eigenzuständen wie Po-kwai zuvor

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