Quarantäne
daß mich diese Zweifel wieder einmal überwältigen könnten – daß ich nun bestraft werden könnte für meinen Mangel an Glauben. Ich warte, bis ich nicht mehr so laut keuche, obwohl ich weiß, wie absurd das ist: eine Beschwichtigungsgeste für meine instinktiven Ängste, um endlich Ruhe zu haben.
Endlich raffe ich mich auf und öffne – ein weiteres, beiläufiges kleines Wunder, das beweist, daß alles in Ordnung ist… oder eine weitere Unmöglichkeit, die letzte Karte, die das Kartenhaus zusammenfallen läßt. Ich trete ein.
Die Wachen tun noch immer so, als würden sie mich nicht sehen, und sie tun es gründlich (und ich glaube, mit meinem freien Willen Probleme zu haben). Ich passiere die Schleuse ohne einen Blick nach links oder rechts, verschwinde um die nächste Ecke, ohne mich umzuschauen. In dem Augenblick, als ich theoretisch außer Sicht bin, kollabiere ich, fast aus dem verzweifelten Wunsch heraus, die Ereignisse der Nacht nun konkret betrachten zu können, mein unwahrscheinliches Glück unwiderruflich bestätigt zu sehen – doch während das Hypernova- Menuin meinem Blickfeld erscheint, fällt mir ein, daß ich noch immer im Blickfeld von mindestens zwei Kameras bin.
Um der realen Welt meine Referenz zu erweisen, öffne ich Po-kwais Wohnungstür auf die übliche Weise: ein Infrarotimpuls von Transmitter, ein Daumenabdruck, ein Magnetschlüssel. Dann frage ich mich – viel zu spät –, ob diese durchaus erlaubte Aktion vielleicht eher im Überwachungscomputer, erscheinen wird als alle verbotenen Dinge, von denen ich weiß, daß sie unbeobachtet geblieben sind. Ich lasse die Tür zuschnappen und murmele: »Ich werde nachlässig. Ich muß das nächste Mal besser aufpassen.«
Po-kwai lacht. »Das würde ich nicht sagen. Aber ich war doch überrascht, als ich Sie hier nicht fand.« Sie runzelt die Stirn. »Was ist passiert?«
Ich schüttle den Kopf. »Nichts. Ich dachte, ich hätteetwas gehört. Falscher Alarm, Sie haben nichts zu befürchten.«
»Ein Eindringling? Wo?«
»Draußen auf dem Korridor.«
»Aber da sind doch Kameras? Wie könnte denn jemand…?«
Ich zucke mit den Schultern. »Die Elektronik kann man täuschen. Theoretisch wenigstens. Aber vergessen Sie’s, es war niemand hier.«
»Sie sehen aus, als hätten Sie diesen Niemand durchs ganze Haus bis zum Dach gescheucht.«
Ich merke, daß ich schweißgebadet bin, und es ist nicht vom Treppensteigen. Ich wische mir die Stirn ab. »Entschuldigung. Ich habe im Treppenhaus nachgesehen, einige Stockwerke auf und ab. Ich bin wohl nicht mehr ganz in Form.«
»Ich bin erstaunt, daß Ihnen Ihre Module das Schwitzen nicht verbieten.«
Ich lache müde. »Das wäre sehr gefährlich, wenn sie das täten. Den Hunger zu unterdrücken, das ist eine Sache. Aber an der Wärmeregulation herumzuhantieren… grenzt an Selbstmord.«
Sie nickt, sagt aber nichts. Sie ist eher verwirrt als argwöhnisch. Wenn sie meine Geschichte nicht glaubt, dann nicht, weil sie sie für erfunden hält; eher denkt sie, daß ich die Angelegenheit herunterspiele.
Ich überlege, wie ich sie ganz unverdächtig davon abbringen kann, sich etwa bei Lee Hing-cheung nach dem Grund für die Aufregung gestern nacht zu erkundigen – aber es fällt mir nichts ein. Sagen Sie bloß niemand etwas von der Geschichte, weil… weil was? Weil ich nicht wie ein Idiot dastehen will, der Gespenstern nachjagt? Sie weiß, daß die Leute an der Schleuse mich gesehen haben >müssen<.
Viel wichtiger ist doch: Wie lange war sie schon wach? Sicher schon bevor ich die Kontrolle passierte; es kann nicht mehr als zwanzig Sekunden gedauert haben, um von der Treppe bis in ihre Wohnung zu kommen. Wie bin ich also an den Wachen vorbeigekommen? Hat sie sich kollabiert, und mich dazu, hat sie meine Verbindung zu Initiative unterbrochen – oder sind wir beide noch immer verschmiert? Und wenn wir es sind… was passiert, wenn ich den Kollapsinhibitor von Hypernova jetzt abschalte? Wird die Vergangenheit, an die ich mich jetzt erinnere, für immer vergessen sein? Oder wird irgendeine andere Folge von Ereignissen nun an ihre Stelle treten – zufällig ausgewählt, vielleicht von Po-kwais verschmiertem Ich?
Ich muß verschmiert bleiben, bis sie wieder eingeschlafen ist… oder, um es in der Sprache der Quantenphysik zu sagen, überwiegend eingeschlafen ist. Ich muß sichergehen, daß die Auswahl des Eigenzustands bei mir liegt.
Ich wandere durch die Diele. Alles, was ich zu tun habe, ist ruhig zu
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