Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quarantaene

Quarantaene

Titel: Quarantaene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
sie konnten als Alibi dienen für den Fall, dass irgendwann die Frage gestellt würde, was Ray während der Abriegelung getrieben hatte. Sie hatte den Eindruck, dass Ray viel Zeit darauf verwendete, sich für derartige Fragen zu wappnen.
    Sie behielt ihre Desktop-Uhr im Auge. Um halb zwei begann sie sehr auffällig in Papieren und Dateien zu stöbern, als vermisse sie irgendetwas. Und müsse daher in Rays Büro gehen, um es dort zu suchen. Es kam ihr lächerlich unrealistisch vor, wie eine Schüleraufführung.
    Oder ein schlechter Film. Und in diesem Film, dachte Sue, wäre dies der Zeitpunkt, wo plötzlich jemand hereinspaziert käme und sie überraschte … wahrscheinlich Schulgin, oder sogar Ray selbst, Ray mit einer Pistole in der Hand …
    »Sue?«
    Sie biss sich auf die Zunge, dann brachte sie ein »Aua!« zustande, das unter Umständen entfernte Ähnlichkeit mit einem »Hallo« besaß.
    Es war nicht Ray. Es war Gretchen Krueger, die unten im Archiv arbeitete.
    »Hätte nicht gedacht, dass du heute im Büro bist«, sagte Gretchen. »Ich wollte nur gerade ein paar ältere Ausgaben des JAE einsammeln und hab gesehen, dass deine Tür offen ist. Ist Ray auch da?«
    »Nein. Ich muss hier nur kurz was fertigmachen. Nur fehlt mir dummerweise andauernd irgendwelches Zeug.« Das Alibi noch ein bisschen fester zurren.
    »Wenn ich hier fertig bin, treffe ich mich im Sawyer’s mit Jamal und Karen. Möchtest du nicht auch kommen? Wir würden uns freuen.«
    »Danke, aber was ich heute Nachmittag brauche, ist eine Dusche und ein Schläfchen, und sonst gar nichts.«
    »Das Gefühl kenne ich.«
    »Amüsiert euch trotzdem, Gretch.«
    »Alles klar. Mach dir keinen Stress, Sue. Du siehst müde aus.«
    Gretchen schlenderte durch den Flur davon und Sue begann erneut, all ihren Mut für den Überfall auf Rays Bürozimmer zusammenzunehmen. Zuerst aber zog sie die Tür zum Flur ganz zu. Ihre Hand zitterte, stellte sie fest.
    Dann hinein in Rays Allerheiligstes und aus dem Blick der Überwachungskameras.
    Zuerst zog sie einen Aktenordner aus dem Wandregal – irgendeinen Ordner, ganz egal, Hauptsache, sie hatte etwas unverfänglich Aussehendes, das sie wieder nach draußen tragen konnte. Dann ging sie zu seinem Schreibtisch, steckte ihren Schlüssel ins Hauptschloss und öffnete nacheinander alle fünf Schubladen.
    Die Ausdrucke waren in der unteren linken Schublade gestapelt, wo er die DingDongs aufbewahrt hatte, bevor sie ausgegangen waren. Wie sie Ray kannte, hatte er wahrscheinlich die Krümel mit dem Staubsauger entfernt. Jetzt hatte er schon eine ganze Weile keine DingDongs mehr gehabt. Er musste schwer auf Entzug sein.
    Sie nahm den ersten Bogen zur Hand.
     
    VON: BoXiang, Crossbank National Laboratory
    AN: Avery Fishbinder, Blind Lake National Laboratory
    TEXT: Hi, Ave. Wie versprochen, hier ein bisschen Vorabinfo zu dem Material, das wir auf der diesjährigen Konferenz präsentieren werden. Tut mir leid, wenn ich mich nicht klarer äußern kann (ich weiß, dass Sie nicht überrumpelt werden möchten), aber uns wurde eingeschärft, uns hierüber bedeckt zu halten, bis es offiziell gemacht wird. Um es kurz zu fassen: Wir haben Hinweise auf eine untergegangene intelligente Zivilisation auf HR8832/B gefunden. Screenshots werden noch folgen, aber in der nördlichen Hemisphäre gibt es eine Region voller Basalterhebungen, mit sehr flachem Wasser und einigen exponierten Inseln, unterscheidet sich oberflächlich nicht von Hunderten solcher Sumpfgebiete, birgt aber Überreste von offensichtlich sehr anspruchsvoll konstruierten Gebäuden, darunter ein typisches Verbindungsstück oder jedenfalls ein architektonischer Verweis auf die über den Äquator verstreuten »Korallenschwimmer«. Sind uns noch nicht schlüssig, wie das mit dem Fehlen beweglicher Fauna unter einen Hut zu bringen ist: Gossard stellt ein lange zurückliegendes Massenaussterben zur Debatte …
     
    Um Gottes willen, schalt sich Sue, du sollst es nicht lesen. Sie warf einen verstohlenen Blick zur Tür. Sie war allein, aber das konnte sich jederzeit ändern.
    Sie zog ihren Server aus der Tasche, stellte ihre heimische Schnittstelle ein und aktivierte die Scan-Funktion. Der Server war ein Modell im Bleistiftstil, exakt genauso breit wie die Standardpapiergröße. Sue fuhr mit der fotoempfindlichen Seite über das Dokument, bis per Piepton eine vollständige Übertragung angezeigt wurde. Dann der nächste Bogen. Und der nächste. Es waren eine Menge Papiere. Sie sah auf

Weitere Kostenlose Bücher