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Quarantaene

Quarantaene

Titel: Quarantaene Kostenlos Bücher Online Lesen
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gegeneinanderreibenden Hosenbeine klang wie eine aufgeregte Unterhaltung.
    Sie fand sich beschwichtigt von den Türmen der Alley, als sie an ihnen vorbeieilte, besänftigt von der glatten Schwärze der Asphaltstraße, die sich zwischen die Stadthäuser schlängelte, getröstet von der Nähe der hohen Gebäude an der Hubble Plaza.
    Aber nicht so gut gefiel ihr das Geräusch der Polizeisirenen unten am Südtor. Sirenen klangen in Tess’ Ohren immer wie weinende Babies, hungrig und allein gelassen. Sie zeigten an, dass irgendwas Schlimmes passiert war. Tess schauderte zusammen und rannte den Rest des Weges nach Hause.

 
Sieben
     
     
    Am Mittwochmorgen setzte sich Sebastian Vogel zu Chris an einen der winzigen Behelfstische in der Cafeteria des Gemeindezentrums.
    Das Frühstück bestand aus Croissants, wässrigem Rührei, Orangensaft und Kaffee, und für unfreiwillige Gäste war es gratis. Chris begann mit dem Kaffee. Er wollte sich eine neurochemische Stärkung verschaffen, bevor er die Warmhalteplatten auch nur in Augenschein nahm.
    Sebastian legte ein Exemplar von Gott & das Quantenvakuum auf die Tischplatte. »Elaine sagte, Sie seien neugierig. Ich habe Ihnen eine Widmung reingeschrieben.«
    Chris versuchte einen dankbaren Eindruck zu machen. Das Buch war eine Vorzugsausgabe, auf echtem Papier gedruckt und steif broschiert, stabil wie ein Ziegelstein und ebenso schwer. Er stellte sich vor, wie Elaine sich das Grinsen verkniffen hatte, als sie Sebastian erzählte, dass Chris »begierig« sei, es zu lesen. Sebastian musste einen ganzen Koffer voll nach Blind Lake mitgeschleppt haben – als befände er sich auf Werbetour.
    »Danke«, sagte Chris. »Meins bekommen Sie dann auch demnächst.«
    »Nicht nötig. Ich habe mir ein Exemplar von Gewichtete Antworten runtergeladen, bevor die Verbindungen gekappt wurden. Elaine hat es mir dringend ans Herz gelegt.«
    Chris überlegte, wie er sich bei Elaine revanchieren könnte. Mit Strychnin im Frühstücksmüsli vielleicht.
    »Offenbar glaubt sie«, fuhr Sebastian fort, »dass diese Sicherheitskrise sich zu unserem Vorteil auswirken könnte.«
    Chris blätterte in Vogels Buch, überflog die Kapitelüberschriften. »Gott borgen«, las er. »Warum Gene Bewusstsein machen & wo sie es finden«. Das verruchte Et-Zeichen. »Inwiefern zu unserem Vorteil?«
    »Wir erleben die Institution im Krisenzustand. Vor allem, wenn die Abriegelung noch einige Zeit länger dauert. Sie sagt, wir können dann an Ari Weingarts Publicitymaschine vorbei mit richtigen, echten Leuten sprechen. Eine Seite von Blind Lake in den Blick bekommen, die in der Presse noch nie vorgekommen ist.«
    Elaine hatte natürlich recht und dieses eine Mal war Chris ihr sogar voraus. Seit Tagen hatte er schon Gespräche mit gestrandeten Tagesarbeitern geführt und die Sicherheitsabriegelung aus ihrer Sicht kommentieren lassen.
    Elaines Motivationsansprache von neulich Abend wäre gar nicht nötig gewesen. Er wusste sehr wohl, dass dies höchstwahrscheinlich eine letzte Chance war, seine Karriere als Journalist noch zu retten. Die Frage war nur, ob er diese Chance ergreifen wollte, denn es gab ja Alternativen, die Elaine ebenfalls benannt hatte. Chronischer Alkoholismus oder Drogenmissbrauch zum Beispiel, und er war beiden nahe genug gekommen, um die Verlockung nachvollziehen zu können. Oder er könnte irgendeinen unauffälligen Job ergreifen, Reklametexte schreiben oder Bedienungsanleitungen, und so in ein gemächliches, respektables mittleres Alter hinübergleiten. Er war nicht der Erste, der sich im Erwachsenenalter mit gesunkenen Erwartungen abfinden musste, und er erhob keinen Anspruch auf Mitgefühl.
    Der Auftrag, nach Crossbank und Blind Lake zu reisen, war ihm wie ein allzu lange aufgeschobener Kindheitstraum erschienen – ein schal gewordener Traum. Er war aufgewachsen mit der Liebe zum Weltraum, hatte seine Freude gehabt an den Bildern der frühen NASA- und Euro-Star-lnterferometer – erste unscharfe Bilder, darunter die beiden Gasriesen, die UMa47 umkreisten (jeder mit gewaltigen, komplexen Ringsystemen), und der verlockende Fleck, der sich als ein felsiger Planet innerhalb der bewohnbaren Zone des Sterns entpuppte.
    Seine Eltern hatten seine Begeisterung toleriert, aber im Grunde nie verstanden. Allein seine Schwester Portia war bereit gewesen, ihm zuzuhören, wenn er darüber sprach, und sie behandelte diese Gespräche wie Gutenachtgeschichten. Für Portia war das alles eine gute Geschichte. Sie hörte

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