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Quasikristalle: Roman (German Edition)

Quasikristalle: Roman (German Edition)

Titel: Quasikristalle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
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Einmal eine Packung Zigaretten, sie konnte ja nicht nur mitrauchen. Normalerweise bekam sie für Kino Zuschuss, aber die Filme, die sie mit Alex gesehen hatte, hatte sie verheimlicht. Die Vergewaltigung war eklig gewesen. Auf einem Tisch. Und die Kamera von der anderen Seite, auf Robert De Niros Po, wie der damit wackelte, während er… Sie hatte für eine Weile aufgehört, Alex’ Finger zu streicheln.
    Von Emmy konnte sie kein Geld mehr klauen, die hatte es so gut versteckt, dass sie es meistens selbst nicht fand. Von Xane traute sie sich nicht, die wusste bestimmt immer genau, wieviel sie im Portemonnaie hatte. Papa hatte immer Münzen und kleine Scheine im Sakko, das er irgendwo hinwarf, wenn er nach Hause kam. Sie tat das nicht gern, doch hatte sie eine Wahl? Sie nahm nur Münzen. Das aber regelmäßig. Sie brauchte eine Taschengelderhöhung. Die Xane gewiss an Schulnoten würde koppeln wollen, ohne Fleiß kein Preis .
    Sie stieß die Tür zum Schulhof auf. Rechts am Zaun stand wie immer Alex’ Gruppe herum, sie wirkten, als sähen sie zufällig alle zu ihr her. Als sie näherkam, merkte sie, dass sie sich getäuscht hatte.
    Wo ist Alex, fragte sie Theo, der sie erst zu erkennen schien, als sie direkt vor ihm stand. Er zuckte die Schultern. Sie runzelte die Stirn. Ist er krank? War er heute nicht da? Sie stellte all die Fragen, für die sie sich später hätte umbringen können, so peinlich war sie, so naiv und ahnungslos.
    Danach schien alles gleichzeitig zu geschehen, Teresa kam herüber, um sie zu holen, das hatte es noch nie gegeben; ohne etwas zu sagen, packte sie sie am Ärmel und zog; und Viola folgte zugleich einem vielsagenden Blick von Theo oder einem der anderen, einem Blick hinüber ans andere Ende des Schulhofs, zu der halbtoten Kastanie, unter der Alex stand und sich von einem Mädchen mit langen blonden Tussihaaren an seinem Schal herumspielen ließ.
    But me I’m not a gamble you can count on me to split. The love I sell you in the evening by the morning won’t exist.
    So ein Arschloch, sagte sie zu Teresa, so ein megabeschissenes Arschloch, das wird er büßen, und ihre Freundinnen nickten ernst und zufrieden.
    Sie blieb ein paar Tage zu Hause. Sie kotzte, und wenn sie nicht kotzte, machte sie dementsprechende Geräusche im Bad. Das laute Würgen war irgendwie befriedigend, selbst wenn nichts mehr kam. Sie aß nicht oder kaum, sie nippte gelegentlich an der Grappaflasche. Davon wurde einem warm und schummrig, obwohl es schmeckte wie Putzmittel. Einmal schnupperte Xane, als sie an ihr vorbeiging. Die Arme, mir scheint, man riecht ihn beinahe, den übersäuerten Magen. Viola glaubte selbst fest an die Darmgrippe, von der ihre Eltern sprachen. Eines Vormittags, als sie dachte, längst allein zu Hause zu sein, öffnete Xane die Tür und sah sie im Bett weinen. Xane wollte etwas sagen oder fragen, ließ es dann aber. Sie ging weg und kam wieder, mit der Puppe, die sie ihr einmal geschenkt hatte, als sie noch klein war. Viola hatte nicht einmal gewusst, dass das Teil noch existierte. Sie hatte sich inzwischen zur Wand gedreht. Xane schlich heran und legte ihr die Puppe auf das Kissen. Später, als sie die Wohnungstür ins Schloss fallen hörte, schob Viola sie unter das Bett. Denn die Puppe hatte auch hellblonde Tussihaare. Immerhin hatte Viola sie damals Gretchen genannt, nicht Zoe.
    Am ersten Tag, als sie wieder zur Schule hätte gehen sollen, entschied sie sich für die S-Bahn. Sie fuhr den Ring rund, stieg irgendwo aus und kaufte sich ein Croissant. Als sie es aß, sah sie ein Portemonnaie neben der Rolltreppe liegen. Sie schaute sich um, schlenderte hin und hob es auf. Sie ging auf die grauenvoll stinkende Toilette, nahm das Bargeld heraus – es waren fast siebzig Euro! – und warf den Rest in den Behälter für die Damenbinden. Jetzt war sie reich. Sie überlegte nicht lange, sondern fuhr zum Kleistpark, in den Afrika-Shop, wo Xane ihr vor den letzten Sommerferien Braids spendiert hatte. Nun ließ sie sich die Haare kurz schneiden und schwarz färben. Sie suchte einen süßen versilberten Totenkopf aus und ersetzte damit den Glitzerstein in ihrem Nasenflügel. Sie kaufte violette Wimperntusche und schwarzen Nagellack. Und sie hatte immer noch Geld übrig. Sie würde sagen, dass Lisa ihr etwas zugesteckt hatte. Die ihr übrigens nie etwas gab. Warum eigentlich nicht?
    Als sie sich im Spiegel sah, war sie zufrieden. Sie steckte sich die Stöpsel ins Ohr – when everything is lonely I can be

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