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Quasikristalle: Roman (German Edition)

Quasikristalle: Roman (German Edition)

Titel: Quasikristalle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
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drauf…
    Trotzdem bleibt leider entscheidend, auf wie vielen Ebenen einer was draufhat, erklärte Martin. Und die alte Molin hat zwar mal ein paar echte ästhetische Milestones gesetzt, aber in größeren Zusammenhängen denken, das kann sie leider nicht.
    Sabina sah ihn an. Martin, sagte sie langsam, kann es sein, dass du dieser Frau erklären wolltest, wie sie ihre Firma führen soll, sie das aber lieber selbst entscheidet?
    Martin lächelte, so hochmütig er konnte. Frau Molin und ich waren uns vor zwei Jahren vollkommen einig, dass sich ROX in eine bestimmte Richtung entwickeln soll, sagte er. Das habe ich dir damals ausführlich berichtet. Sonst hätte es weder für mich Sinn gemacht, von einem großen zu einem so kleinen Laden zu wechseln, noch für ROX, jemanden wie mich abzuwerben.
    Damals hast du gesagt, dass einem bei Colloredo jede Kreativität ausgetrieben wird, sagte Sabina, ich höre dich noch, Tapisserien und Lampenbespannungen von Kuala Lumpur bis Mexico City und zurück. Egal. Jetzt hat also die Molin ihre Meinung geändert, über die Entwicklung der Firma?
    Wahrscheinlich hat sie Angst, sagte Martin und bemühte sich um einen anteilnehmenden Ton, alle haben sie Angst, mein Haus, mein Auto, mein Boot, unterm Strich zähl ich. Der ständig besoffene Topic beschwört sie, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen, was dann heißt, dass sie immer nur dasselbe Fairtrade-Klein-Klein machen, das Kinderhospiz, die Erdwärmeleitungen, den brandenburgischen Wasserbüffelzüchter, …
    … den pommerschen Ökobäcker, sagte Sabina.
    Den pommerschen Ökobäcker, bestätigte Martin, und sie lachten einander an.
    Dann reckte er den Zeigefinger in die Luft, legte sich mit der anderen Hand Sabinas warme Finger um den Schwanz und fuhr fort: Aber dass Stärken schwächer werden, wenn man sie nicht ständig trainiert, das kommt dort keinem in den Sinn. Ich persönlich glaube ja, die Molin ist längst ausgebrannt. Sie ist nicht mehr die Jüngste. Ich bitte dich, in dieser Branche, wo sich alles rasend schnell verändert.
    Sabina schaute ihn prüfend an. Martin hielt dem Blick stand, obwohl es sich anfühlte, als ob sein siegessicheres Lächeln auf Dauer Sprünge bekommen könnte wie eine Gipsmaske.
    Außerdem habe ich langsam genug von diesen Österreichern, stieß er hervor und schnitt eine Verschwörergrimasse.
    Stimmt, sagte Sabina, worum ging es eigentlich gestern mit Stortecki?
    Genau darum, stöhnte Martin. Erklärt er mir zum hundertsten Mal, dass alle Studien belegen, wie innovationsfreudig seine Ösis sind, im Gegensatz zu den ängstlichen und schwerfälligen Deutschen. Darauf sag ich, dann frag ich mich nur, warum deine Freundin Xane Molin ihren Art Director, diesen Klotz am Bein der Agentur, nicht auf eine wirklich innovative Burn-out-Kur schickt? Am besten ein paar Wochen lang, oder so lange, wie es sich für ihn gut anfühlt, so reden die, du weißt schon. Darauf wieder Stortecki, Martin, spinnst du, der Topic-Ossi ist der M-o-t-o-r dieser Agentur, er ist ein Genie, und so weiter, und darauf ich, ach so, natürlich, ich vergaß, ihr seid ja alle Genies, nirgends gibt es so viele Genies wie zwischen Boden-und Neusiedlersee, von Hitler über Haider bis Fritzl … Da hat er mir den Finger gezeigt und ›Geh scheißen, Piefke‹ gesagt.
    Sabina lächelte. Und dann habe ich dich weggezerrt.
    Genau, sagte Martin, dann hast du mich zum Glück weggezerrt.
    Ich habe es dir damals schon gesagt, sagte Sabina, in meinen Augen passt du besser zu einer größeren Firma, mit mehr internationalem Flair.
    Du hast recht, seufzte Martin und schloss die Augen.
    Was ist mit Fidelion, schlug Sabina vor, die haben doch eine riesige Corporate Communication .
    Warum eigentlich nicht, flüsterte Martin, vielleicht gleich zu Fidelion, und nicht aufhören damit, bitte.

It can never return as it was,
only as a later incarnation.
    – Siri Hustvedt –
    10 Wie die Zeit vergeht. Als Xane anrief und sagte, sie kämen alle, die ganze Familie aus Berlin, um seinen Geburtstag zu feiern, da war ihm die Wartezeit noch so lange vorgekommen, dass es ihm klang wie Hohn, wie ein vergiftetes Geschenk.
    Bis dahin bin ich vielleicht tot, hatte er genörgelt, kannst du nicht früher kommen? Da machte sie ihm wieder Komplimente zu seiner angeblich unverschämten Gesundheit: Ist dir das überhaupt klar, Papilein, wenn sie könnten, würden dich deine Altersgenossen vor Neid tögeln.
    Er musste lachen.
    Aber sie können halt nicht mehr, sagte er

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