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Quasikristalle: Roman (German Edition)

Quasikristalle: Roman (German Edition)

Titel: Quasikristalle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
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regelmäßig mit Schwung auf die andere geworfen zu werden, und dass du mir versprochen hast, dass ich zu Hause in dein Bett darf. Das war damals das Größte, in dem riesigen Bett, die Tapete, die sich, wenn man lange genug draufstarrte, zu bewegen schien, und immer gab es Gummibärchen. Und manchmal hast du dich dazugelegt und bist neben mir eingeschlafen. Einmal sind wir aufgewacht, und du hast gesagt: Nanu, ist es immer noch hell? Oder schon wieder?
    Aber da muss ich wahrscheinlich älter gewesen sein, denke ich gerade. Schlaf gut, Mama, bis bald, Grüße auch von Nora,
    a.
    *
    Mamilein,
    du hast recht, besondere Ereignisse erfordern andere Kommunikationsformen. »Gestelzt« finde ich Briefeschreiben eigentlich nicht, man tut es halt kaum noch, aber wenn, dann nimmt man sich Zeit dafür, mit der man sonst dauernd herumknausert. Das ist doch ganz schön. Ich habe mich jedenfalls über dein ausführliches Schreiben gefreut, das mich, wie du zu Recht angenommen hast, sehr überrascht hat. Ich hatte nicht die geringste Ahnung … (Manche Dinge kann man besser schreiben als sagen – das soll von mir sein? Kann mich gar nicht erinnern. Klingt wie eine Plattitüde.)
    Also, was wollte ich jetzt sagen bzw. schreiben? Ich freue mich für dich. Ehrlich, ich freue mich sehr für dich, auch wenn es sich für mich bestimmt komisch anfühlen wird, wenn ich dich besuche, euch besuche, meine Güte, schau, es geht schon los.
    Nein, Mama, ich finde es großartig. Ich kann mir gut vorstellen, dass du selbst viele Zweifel und Fragen gehabt hast, wie du andeutest, das ist alles nicht mehr so einfach wie für eine Jüngere. Aber du warst immer unerschrocken, hast dich neugierig in alles hineingestürzt, das war die allgemeine Meinung über dich. Als wir klein waren, war vielleicht nicht mehr so viel zum Hineinstürzen da, deshalb ist das eher, wie mir gerade klar wird, eine Beschreibung aus zweiter Hand. Obwohl sie mir so geläufig ist.
    Jedenfalls, hineinstürzen: Warum solltest du das nicht ausprobieren? Man kann von jeder Vereinbarung wieder zurücktreten, oder nicht? Du musst ihn ja nicht gleich heiraten – obwohl, wenn du das irgendwann möchtest, weil es zum Beispiel mehr Sicherheit für später bietet, solltest du dir diesen Gedanken auch erlauben.
    Jetzt schlucke ich doch. Na ja, man muss und wird sich an alles gewöhnen, und ich kenne ihn ja noch gar nicht. Ich hoffe, der Arme fürchtet sich nicht vor uns allen.
    Du musst das gar nicht so betonen, denn ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du dir alles gründlich überlegt hast. Bis auf das, was man »vorher eben nicht wissen kann«, wie du schreibst. So bleibt es aber spannend, nicht wahr? Die Idee mit den beiden Wohnungen nebeneinander gefällt mir weniger, das klingt nach angezogener Handbremse. Ich meine, wenn ihr beschlossen habt, zusammenzuwohnen, dann müsste sich das doch innerhalb einer, dafür größeren und wahrscheinlich billigeren Wohnung ebenfalls organisieren lassen? Und umgekehrt: Wenn es nicht klappt, verwandelt ihr euch zurück in grantig grüßende Nachbarn?
    Aber du wirst ja wissen, wie es sich richtig anfühlt. Liegen die Wohnungen wenigstens so, dass ihr sie eventuell später zusammenlegen könnt?
    Nachdem ich deinen Brief gelesen habe, habe ich übrigens den anderen Brief herausgesucht, den du mir mal zum Geburtstag geschrieben hast, nein, gegeben hast, du weißt, den du VOR meiner Geburt für meinen zwanzigsten Geburtstag vorgeschrieben hast.
    »In zwanzig Jahren haben wir beide miteinander dann wahrscheinlich alle Gefühle durch, die man als Mutter und Kind so empfinden kann«, hast du damals geschrieben, und ich finde es brillant, dass du einmal nachweislich unrecht hattest. Denn du siehst, es gibt immer wieder neue Aspekte, weil sich die Wendungen des Lebens eben nicht vorhersagen lassen.
    Zum Schluss möchte ich das gestelzte Medium Brief nun meinerseits nutzen, um dir, traraa!, ebenfalls eine bedeutende familienpolitische Neuigkeit mitzuteilen: Fanny bekommt voraussichtlich Anfang Juli ein Geschwisterchen (»endlich«, sagt Mademoiselle, und verteilt damit also Zensuren). Was sagst du dazu? Neue Mitbewohner allerorten!
    Freundliche und neugierige Grüße an deinen bereits Vorhandenen – aber wenn er nicht nett zu dir ist, schmeiß ich ihn eigenhändig raus! –, und bis bald auf den normalen Kanälen,
    Bussi, Dein Amos
    *
    Subject: Re: Re: Nelson
    Mama, ich habe Ms Rear heute Nachmittag einfach angerufen, und es ist genauso, wie ich

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