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Quasikristalle: Roman (German Edition)

Quasikristalle: Roman (German Edition)

Titel: Quasikristalle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
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wird sie den betreffenden Mann auf einer Tagung wiedersehen. Sie sagt mir den Namen nicht, das machen die meisten so, die neu in diesem Zustand sind. Falls sich die Sache schnell ablebt, wird man den Namen nie erfahren, denn dann ist es nur mehr der blöde Werbefuzzi/Anwalt/Musiker, du hast mich da hoffentlich nicht ernst genommen, Xane? Eine kleine hormonelle Verwirrung, nichts weiter! Falls daraus aber eine dramatische, jahrelange Sache wird, eine, die man für immer, voller Sündenstolz im Herzen herumtragen wird, dann erfahren die besten Freundinnen den Namen post festum, wenn die Wunden halbwegs verheilt sind. Dann wird dieser Name zur geflüsterten Trophäe, zu einer Währung, valide nur in der Frauenwelt.
    Krystyna und der namenlose Mann werden im selben Hotel ihre Zimmer haben, aber in die Therme wird sie, abends nach Konferenzschluss, bestimmt nicht gehen. Da plantschen die Teilnehmer in den heißen Becken, ihr leutseliger Chef, dazu dieser Mann und dessen Kollegen, vor denen man sich entblößen müsste. Nein, der Gedanke allein ist unerträglich peinlich. Ich kann nicht einmal als Erklärung eine Hautkrankheit erfinden, sagt sie und lacht wieder los, wie würde sich das denn für ihn anhören.
    Zimmer im selben Hotel, sagt sie und runzelt die Stirn, einfacher geht’s nicht.
    Vielleicht ist das gerade hinderlich, gebe ich zu bedenken, es ist einerseits aufgelegt, andererseits hochriskant, und sie antwortet, ja, das habe sie sich auch schon gedacht.
    Bisher ist nichts Schlimmes passiert. Bisher schreiben sie einander E-Mails. Erst waren die Mails vergnügt und neckisch, wie man eben mailt mit Geschäftspartnern, die man mag, doch als der letzte Auftrag vor dem Abschluss stand, war da so eine Bemerkung, dass er die regelmäßige Korrespondenz mit ihr vermissen werde. Nur dieser halbe Satz, aber ihr war, als hätte man ihr etwas vom Gesicht gerissen, eine Schutzbrille, oder nein, gleich einen Ganzkörperschutzanzug, der einen wie das Michelin-Männchen gegen jede Versuchung polstert. Sie kichert und wirft den Kopf in den Nacken. Sie legt sich die Hände an die heißen Wangen, stützt die Ellenbogen neben die Suppenschale, schaut mich mit lachfeuchten Augen an und bittet: Ich weiß, ich bin gerade total verrückt. Magst du mich trotzdem?
    Du bist hinreißend, meine Süße, erwidere ich, und ich beneide dich.
    Das hätte ich nicht sagen sollen, aber ein wenig will ich mitspielen, nicht nur das dankbare Publikum sein.
    Weit hinten in ihrem Blick glimmt spitz die Neugier auf.
    Aber sag, hast du denn nie … Xane, wie lange seid ihr verheiratet?
    Nein, nie, bestätige ich und schüttle so bedächtig den Kopf wie ein alter Mann, wie ein Höchstrichter oder Bundespräsident: Jedenfalls nichts Echtes, kein körperlicher Betrug.
    Das frage ich mich sowieso, wo der Betrug überhaupt beginnt, unterbricht sie mich trotzig, und ich seufze innerlich, denn dieses Thema habe ich schon mit anderen Freundinnen durchgekaut. Frauen sind nämlich analytischer, als Männer gern behaupten. Auch wir können im Kopf den Abgang einer Lawine umdrehen, besser vielleicht als die Räumlich-denken-Würfel beim Intelligenztest. Auch wir können gedanklich zurückgehen an den Anfang, wo noch nichts gefährlich oder eindeutig war, wir können alles noch einmal in Zeitlupe abspulen. Aber wer sich fragt, wie sich eine Katastrophe hundertprozentig verhindern lässt, landet bäuchlings in der Bigotterie.
    Bigott wäre es, bei jedem Menschen, der einem auf diese besondere Weise gefällt, zu denken: um Himmels willen, dem muss ich von nun an aus dem Weg gehen. Darüber herrscht, glaube ich, Einigkeit. Ab dann aber ist es, Schritt für Schritt, Ermessenssache. Schritt für Schritt einer Schuld oder Teilschuld entgegen. Die einen gehen spielerisch damit um, die anderen rigide. Gehe ich nach dem netten Abend noch auf einen Absacker in die Bar? Lasse ich mich einladen? Frage ich nach einer Telefonnummer? Gebe ich meine E-Mail-Adresse heraus? Antworte ich, falls eine Mail kommt? Wie lange lasse ich mir damit Zeit?
    Vermutlich sieht man mir das an, sogar Krystyna in ihrem erhitzten Zustand merkt, dass dieser Abzweig keine intellektuellen Herausforderungen für mich bereithält. Denn sie hört mit dem Räsonieren über den Betrugsanfang auf und fragt: Nichts Echtes, aber?
    Ein älterer Mann, den ich sehr mag, antworte ich und denke an Nelsons amüsierten Blick, als er, ein paar Pfundnoten in der Hand, vor mir stand, mich und meinen Muffin auslöste und

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