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Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken

Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken

Titel: Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Puri
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(!) Fahrspur oben genannter Ausfahrt zu schießen. Das gelingt nicht allen Kontinentaleuropäern ohne in die Böschung abzubiegen. Unbedingt weiträumig umfahren sollte man als Nichtengländer sogenannte magic roundabout s, quasi „Superkreisel“. Die zeichnen sich dadurch aus, dass man in zwei verschiedenen Richtungen herum fährt, und an jeder Ausfahrt ein weiterer Kreisel ist. 35
    Besonders spannend wird die Sache, wenn – gar nicht so selten übrigens – direkt nach dem letzten Kreisverkehr, ein Fußgängerüberweg (pedestrian crossing) folgt, den garantiert gerade eine Oma mit Einkaufswägelchen überquert, wenn Sie schweißgebadet aus dem Kreisel hervorschießen. Skurrilerweise haben Sie dann als einbiegendes Auto Vorfahrt, selbst wenn die Oma ganz offiziell grün hat. Überhaupt scheinen Ampeln lediglich eine beratende Funktion zu haben. 36 Viele englische Autofahrer gehen nach der Devise vor: Grün = Fahren, Gelb = Fahren, Rot = unbedingt versuchen noch zu fahren, und nur im äußersten Notfall anhalten, also falls man gerade einem Passanten über den Fuß gefahren ist.
    Auch Zebrastreifen haben in England keinerlei Funktion – sollten Sie als Fußgänger frecherweise versuchen, einen Zebrastreifen vor einem heranfahrenden Auto zu überqueren, werden Sie vom Fahrer wahrscheinlich mindestens aufs Gröbste beschimpft werden. Für nicht lebensmüde Fußgänger ist es in England daher noch wichtiger als in Deutschland die Regel „erst links schauen, dann rechts!“ – ach nee, hier natürlich „erst rechts schauen, dann links!“ – zu beherzigen.
    Davon abgesehen geht es auf englischen Straßen deutlich beschaulicher zu als auf deutschen Straßen. In Ortschaften sind zwar theoretisch dreißig Meilen pro Stunde erlaubt (das entspricht 48 Stundenkilometern), praktisch machen uralte Straßenbeläge, Schlaglöcher und sogenannte sleeping policemen, „schlafende Polizisten (= Bodenschwellen), die Ihre Bandscheiben schon bei Schritttempo zusammenstauchen, Geschwindigkeiten über 24 Stundenkilometer sehr unwahrscheinlich. So schnell war man auch schon vor hundert Jahren mit der Pferdekutsche unterwegs. Auf einspurigen Schnellstraßen beträgt die Höchstgeschwindigkeit immerhin 96 km/h, auf zweispurigen Schnellstraßen (dual carriageways) sowie auf den meist dreispurigen Autobahnen (motorways) sogar 113 km/h. Auch das ist natürlich nur theoretisch so, denn viele Baustellen (road works), die weite Strecken englischer Straßen in Form von Absperrungen, Umleitungen, Warnhütchen, Mobil-Klos und Tee trinkenden Männern in leuchtenden Jacken lahm legen, bremsen den Verkehr zuverlässig auf Schrittgeschwindigkeit. Dabei orientieren sich die Straßenarbeiter in Sachen Arbeitstempo offenbar an den alten Römern, die in jahrhundertelanger, liebevoller Handarbeit die ersten englischen Straßen bauten. Straßenarbeiten sind in jedem Fall langwierig, manchmal so langwierig, dass der erste Trupp seine Werkzeuge noch nicht eingepackt hat, wenn schon die nächsten Straßenarbeiter anrücken.
    Auch traffic jams legen viele Verkehrsstrecken lahm. Das sind nicht etwa Marmeladen, die im Verkehr gereicht werden, sondern schnöde Verkehrsstaus. Wer wie ich schon einmal den blauäugigen Versuch gestartet hat, von London aus einen spontanen Ausflug an die englische Südküste zu machen und bereits auf der ringförmigen M25 drei Stunden für die ersten zehn Meilen brauchte, weiß, wo die Engländer ihren stoischen Gleichmut hernehmen. Tatsächlich sind englische Autofahrer, abgesehen vom oben erwähnten unorthodoxen Ampelverhalten, recht entspannt und zurückhaltend. Zuweilen zu entdeckende, dicht auffahrende, dauerlichthupende Raser mit Schaum vor dem Mund – sind nicht selten deutsche Touristen.
    Diese machen gelegentlich mit englischen Blitzampeln Bekanntschaft: riesigen, knallgelben Kisten, die dankenswerterweise schon aus weiter Ferne zu erkennen sind. Auch wenn Sie beim Blick in den Rückspiegel bemerken, dass Sie von einem Marmeladen-Sandwich verfolgt werden, auf dem in riesigen Buchstaben POLICE steht, sollten Sie vorsichtshalber die Geschwindigkeit drosseln. Obwohl die weißen Polizeiautos mit dem roten Querstreifen in England den niedlichen Namen jam-sandwich tragen, sind die darin sitzenden Polizisten meistens nicht besonders süß. Und sie haben nichts mit den netten bobbies aus Schulbüchern gemein, die auf Fahrrädern über kopfsteingepflasterte Straßen fahren, alten Damen über die Straßen helfen oder den Weg zum

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