Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken
Big Ben weisen. Einen Hinweis gibt diesbezüglich die in England übliche Bezeichnung für Polizist: pig , ich übersetze: „Schwein“. Von härterem Kaliber sind auch englische traffic wardens, zu Deutsch: „Politessen“. Eine Minute unerlaubtes Parken und sie sind hey presto – „schwupps“ – zur Stelle und bitten zur Kasse. Traffic wardens verstehen sehr wenig Spaß. Wie wenig, erfuhr jüngst ein Frisör aus Brighton, der zu Werbezwecken einen hölzernen Spielzeugbus vor seiner Ladentüre abstellte. Wenige Minuten später kassierte er ein Ticket in Höhe von siebzig Euro. Generell geht es auch bei kleinen Parksünden nicht um Beträge von fünf, zehn oder zwanzig Euro, wie sie in Deutschland bei vergleichbaren Verstößen üblich sind. Unter umgerechnet fünfzig bis hundert Euro kommt man in England selten weg. Wer zudem das Pech hat, eine Parkkralle ans Auto geheftet zu bekommen, kann bis zu 650 Pfund, also 775 Euro, für das Lösen derselben zahlen. Was es kostet, wenn man von einem recovery lorry, einem „Abschleppwagen“, abgeschleppt wurde, möchten Sie nicht wissen. Lassen Sie sich einfach niemals von einem recovery lorry abschleppen. Immerhin bekommt man, wenn man innerhalb von vierzehn Tagen zahlt, 50% Skonto, sodass man am Ende fast noch dankbar dafür ist, statt zum Beispiel hundert Euro nur fünfzig Euro für eine halbe Minute Parkzeitüberziehung gezahlt zu haben. Umgekehrt erhöht sich der Betrag um ein Vielfaches, wenn man sich mit dem Zahlen Zeit lässt. Weil man im Urlaub war als der Bußgeldbescheid kam, oder der schusselige Postbote ihn versehentlich in Nachbars Briefkasten geworfen hat. So kann man innerhalb weniger Wochen arm werden. Mein in London lebender Bruder kam auf diese Weise vor einigen Jahren zu fünfzig Bußgeldbescheiden im Wert von insgesamt £ 2000, die sich – von ihm völlig unbemerkt – im Lauf von vier bis fünf Monaten im nachbarlichen Mülleimer angesammelt hatten. Wegen eines falsch geparkten Scooters, an den nicht einmal ein einziger Bußgeldbescheid geklebt worden war. Alleine in den 14 Tagen, die es dauerte, eine Beschwerde beim zuständigen Verkehrsamt einzureichen, erhöhte sich die Summe noch mal auf den stolzen Betrag von £ 3500 Pfund. Am Ende einigte man sich auf ein geringeres Strafgeld. Drei Monate zäher Verhandlungen mit den Beamten haben allerdings im ehemals dunkelbraunen Haar meines Bruders sichtbare Spuren hinterlassen.
Einen legalen Parkplatz zu finden ist in englischen Städten nicht wirklich leicht. Auf Straßen mit zwei durchgehenden roten Streifen am Straßenrand, sogenannten red routes, darf man keinesfalls halten. Auf Straßen mit zwei durchgehenden gelben Streifen darf man nur zum Ein- und Aussteigen oder zum Be- und Entladen halten. Auf Straßen mit einem durchgehenden gelben Streifen darf man nur zu bestimmten, sehr undurchsichtigen Tageszeiten halten: zum Beispiel jeden dritten Sonntag zwischen 4 und 5 Uhr morgens. Achtung: Wer auch nur mit einem einzigen Reifen nur einen einzigen Zentimeter auf einem Streifen steht, ist dran. Vereinzelt gibt es auf den sehr rar gesäten öffentlichen Parkplätzen Automaten, in die man eine Münze einwirft und dafür ein Zettelchen bekommt, das man sichtbar an der Windschutzscheibe befestigt. Pay and display heißt das Prinzip in England – „Zahle und zeige vor“. Hat man die vorgeschriebene Zeit auch nur um ein Minimum überschritten, handeln die zuständigen park attendants , „Parkwächter“, blitzschnell nach dem Prinzip „Sieh und schreibe auf“. Kurz: Es ist, zumindest in größeren englischen Städten, schier unmöglich, längere Zeit ohne irgendein Knöllchen davonzukommen. Jüngst kursierte die Nachricht von einem Polizisten, der ein Knöllchen bekam, weil er an einer Unfallstelle seinen Einsatzwagen nicht vorschriftsmäßig abgestellt hatte. Vermutlich schaffen es nicht mal die Straßenarbeiter, die die Parkverbotslinien aufmalen, ihre Wagen abzustellen, ohne umgehend ein Ticket zu kassieren. Wer das Glück hat, irgendwo einen Parkplatz ohne irgendwelche Beschränkungen 37 zu ergattern, wird ernsthaft überlegen, den Rest seines Lebens zu Fuß zu gehen anstatt den Wagen noch einmal von dort wegzubewegen.
Kompromisslos reagiert das englische Gesetz übrigens auch, wenn es um Alkohol am Steuer geht, obwohl (oder weil) drink and drive eine Freizeitbeschäftigung ist, die sich in England besonders auf dem Land ebenso großer Beliebtheit erfreut wie in Deutschland. Wer mit 0,8 Promille
Weitere Kostenlose Bücher