Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken

Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken

Titel: Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Puri
Vom Netzwerk:
Augenbrauen) eine Auskunft geben. Natürlich kann man stattdessen auch zufällig vorbeifahrende Busse an den Straßenrand winken und statt nach Manchester eben ganz spontan nach Dorset fahren.
    Weiteren Erkenntnisgewinn verspricht eine Zugfahrt mit der National Rail . Nimmt man den Eurostar, fährt man mit bis zu 300 Stundenkilometern in erstaunlichen zweieinhalb Stunden von London nach Paris. Und schnurrt dabei so glatt durch die grüne englische Landschaft, dass man bei voller Fahrt eine Operation am offenen Herzen ausführen könnte. Das Ganze im günstigsten Fall für 69 britische Pfund (ohne Operation versteht sich). Ähnlich eindrucksvoll – wenn auch auf ganz andere Art und Weise – ist die Fahrt von London nach Birmingham, für die man etwa acht Stunden braucht und das Vierfache zahlt. Dafür wird man mit einem Fahrkomfort belohnt – vorausgesetzt man hat das seltene Glück, einen Sitzplatz zu bekommen –, der an rumänische oder ostslowakische Eisenbahnen erinnert. Derartige Kontraste haben die Passagiere Mrs. Thatcher zu verdanken, die die damals noch unter dem Namen British Rail firmierende, staatliche Eisenbahngesellschaft zu ihrer Zeit in kleine Einheiten aufgeteilt hat, die dann jeweils von verschiedenen privaten Betreibern gekauft wurden. Sodass also beispielsweise die Linie, die zwischen London und Paris hin- und herflitzt, nun von einer anderen Gesellschaft betrieben wird als der Bummelzug, der zwischen London und Birmingham vor sich hindümpelt. Immerhin. Viele regionale Strecken wurden mangels Geld komplett gestrichen, nur übrig gebliebene Straßennamen wie Station Road oder verdächtig schnurgerade in der Landschaft herumstehende Heckenabschnitte erinnern noch an sie.
    Von den zahlreichen Zugverbindungen hat in der Regel ein Viertel Verspätungen, ein Viertel ist irgendwo in der Streckenmitte stehen geblieben und ein Viertel fällt auf die letzte Sekunde aus. Manchmal sind Naturgewalten schuld: „Wir fürchten, es gibt etwas Verspätung wegen auf den Bahnschienen weidenden Schafen.“ Manchmal erstaunliche hygienische Verhältnisse: „Wir entschuldigen uns für den Ausfall des Zugs. Die Fahrerkabine ist von Flöhen befallen.“ Manchmal auch unerwartete Aktivitäten der Bahnmitarbeiter: „Es wird eine kurze Verzögerung geben, da Ihr Fahrer augenblicklich noch im Taxi in der Nähe von Watford sitzt.“ Gelegentlich werden die Fahrgäste psychologisch geschickt in den Verzögerungsprozess mit einbezogen: „Hat jemand unter den Passagieren einen verstellbaren Schraubenschlüssel, den wir leihen könnten?“
    Eine lockere Radmutter, ein Stationswärter, der einen Ein-Mann-Streik veranstaltet, ein verschnupfter Lokführer, ein Schaffner, der seine Krawatte vergessen hat – bei der National Rail kann man rountinemäßig mit allem rechnen. Vollkommen überraschend brechen für die National Rail- Betreiber jedes Jahr Herbst und Winter ein – Jahreszeiten, in denen einzelne herabfallende Blätter oder winzige Schneeflocken sofort den gesamten Schienenverkehr zum Stillstand bringen und zur nationalen Katastrophe führen. Ein Umstand, der für gewöhnlich damit erklärt wird, dass es sich dabei um the wrong kind of leaf , also die „falsche Sorte Blatt“, oder um the wrong kind of snow , die „falsche Sorte Schnee“, gehandelt habe. Auch Staub oder Tau brachten den Bahnverkehr schon zum Erliegen. Und wenn es gar keine Erklärung mehr gibt, dann fällt der furchterregende Begriff signal failure, „Signalstörung“. Schlimmer als dieses lesen oder hören zu müssen, ist es allenfalls eines der labberigen, durchweichten, geschmacklosen, in Plastikfolie eingepackten railway sandwiches essen zu müssen. Ohne hier in unappetitliche Details zu gehen: Es handelt sich definitiv um the wrong kind of sandwich .
    Wechseln wir das Transportmittel. Ein typisch englischer Anblick sind die black cabs , die „schwarzen Taxis“ , die heutzutage auch weiß, grün oder rot sein können und nicht mehr nur auf Londoner Straßen anzutreffen sind. Um cabbie , „Taxifahrer“, eines black cab, zu werden, muss man zwei bis fünf Jahre büffeln. Jede Straße, jeden Platz, jeden Baum und jeden Strauch nördlich und südlich der Themse muss man kennen, um The Knowledge, „Das Wissen“, zu bestehen, die härteste theoretische Taxifahrerprüfung der Welt – und im Anschluss noch eine gnadenlose praktische Prüfung absolvieren. Als Folge davon sind viele cabbies nicht nur erstaunlich belesen und unterhaltsam, sie

Weitere Kostenlose Bücher