Quellcode
Phaeton hatte ein GPS-gestütztes Navigationssystem, aber es war auch ein Stadtplan darin. In der Zeit, die Hollis dafür gebraucht hatte, das Auto zu holen, hierher zu finden und zu parken, hätte sie vermutlich auch laufen können. Der Wagen war tatsächlich ziemlich breit, da hatte Ollie Recht gehabt. Und das alles nur, weil Odile sie angerufen und gebeten hatte, zum Lunch zu kommen, um jemand Interessanten kennen zu lernen.
»Hallo«, sagte Hollis und gab der jungen Frau die Hand, »ich bin Hollis Henry.«
»Sarah Ferguson.«
Hollis zog einen schmiedeeisernen Stuhl heran und fragte sich gerade, ob sie es verpasst hatte, Odiles Besuchsprogramm bei den hiesigen Locative-Art-Künstlern vorerst auf Eis zu legen, als die französische Kuratorin sagte: »Fer-gus-son.«
»Oh«, sagte Hollis.
»Sarah ist Bobbys Schwester.« Odile trug eine Sonnenbrille
mit schwarzem Gestell und schmalen Gläsern.
»Ja«, sagte Sarah, offensichtlich wenig begeistert. »Odile hat mir erzählt, dass du Bobby in Los Angeles kennen gelernt hast.«
»Stimmt«, antwortete Hollis. »Ich schreibe über Locative Art für Node und dein Bruder scheint da eine wichtige Rolle zu spielen.«
» Node ?«
»Ist neu«, sagte Hollis. Konnten Bigend oder Rausch wissen, dass Odile Bobbys Schwester kannte? »Ich wusste gar nicht, dass er eine Schwester hat.« Sie warf Odile einen Blick zu. »Bist du Künstlerin, Sarah?«
»Nein«, erwiderte Sarah, »ich arbeite in einer Galerie. Aber nicht in der hier.«
Hollis sah sich das umfunktionierte Bank- oder Behördengebäude an. Und sah Kunst im öffentlichen Raum: den flachen Umriss eines Schiffes, der in Höhe der Dachrinne montiert war.
»Für zu essen, wir müssen hineingehen«, erklärte Odile.
In der Cafeteria erwartete sie eine Schlange schicker Menschen, die Hollis das Gefühl vermittelten, sie seien in Kopenhagen. Die Leute vor ihnen sahen allesamt so aus, als könnten sie ein Dutzend Stühle der klassischen Moderne beim Designer-namen nennen. Sie suchten sich Sandwiches, Salate und Getränke aus. Hollis bezahlte für alle mit ihrer Kreditkarte. Als sie ihr Portemonnaie wieder in die Handtasche steckte, fiel ihr Blick auf den Umschlag mit Jimmys fünftausend Dollar. Beinahe hätte sie ihn im elektronischen Safe in ihrem Zimmer im Mondrian vergessen.
Sarah hatte Bobbys Gesichtszüge, dachte Hollis, als sie sich wieder an ihren Tisch setzten, aber an einer Frau sahen sie besser aus. Ihre Haare waren dunkler, gut geschnitten, und sie war für die Arbeit in einer Galerie gekleidet, deren Kundschaft eine gewisse Seriosität im Auftreten erwartete. Verschiedene Grautöne und Schwarz, edle Schuhe.
»Ich hatte keine Ahnung, dass du Bobbys Schwester kennst«, sagte Hollis zu Odile und nahm ihr Sandwich.
»Wir haben uns gerade erst kennen gelernt«, erklärte Sarah und griff nach ihrer Gabel. »Wie sich herausgestellt hat, haben wir einen gemeinsamen Ex.« Sie lächelte.
»Claude«, sagte Odile, »in Paris. Ich habe dir erzählt, Ollis, er kennt Bobby.«
»Ja, richtig.«
»Ich rufe ihn an«, sagte Odile. »Er gibt mir Sarahs Nummer.«
»Das war nicht der erste Anruf von Unbekannten wegen Bobby in den letzten vierundzwanzig Stunden«, sagte Sarah. »Aber immerhin gibt es eine Verbindung über Claude. Und du warst nicht so wütend.«
»Waren die anderen wütend?«, fragte Hollis.
»Manche ja. Die anderen nur schrecklich ungeduldig.«
»Und warum, wenn ich fragen darf?«
»Weil er immer alles versaut«, sagte Sarah.
»Die Künstler in L.A.«, erklärte Odile. »Sie versuchen zu finden Bobby. Seine Server sind noch abgeschaltet. Ihre Kunst ist weg. E-Mail kommt zurück.«
»Mich hat mindestens ein halbes Dutzend Leute angerufen. Irgendjemand da unten muss mitgekriegt haben, dass er eine Schwester hier hat. Außerdem stehe ich im Telefonbuch.«
»Einen Künstler, der mit ihm zusammenarbeitet, kenne ich«, sagte Hollis. »Der war ganz schön aufgeregt.«
»Wer denn?«
»Alberto Corrales.«
»Hat er geweint?«
»Nein.«
»Am Telefon hat er geweint«, meinte Sarah und spießte ein Stück Avocado auf. »Hat immer wieder gesagt, sein River wäre weg.«
»Aber du weißt nicht, wo dein Bruder ist?«
»Er ist hier«, antwortete Sarah. »Meine Freundin Alice hat ihn heute Morgen auf dem Commercial Drive gesichtet. Sie kennt ihn noch aus der Schule. Sie hat mich angerufen. Um genau zu sein, ungefähr zwanzig Minuten, bevor du mich angerufen hast«, sagte sie zu Odile. »Sie hat ihn gegrüßt. Er
Weitere Kostenlose Bücher