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Titel: Quellcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Fußballplatz, nur höher. Ein gnadenlos künstliches Tageslicht. Hoch aufragende Reihen Betonzylinder mit fließenden Übergängen, wie abstrakte Skulpturen. Getreidesilos, vermutete sie. Ein anderer Bildhauer mit größerer High-Tech-Vorliebe hatte riesige, seltsam substanzlos wirkende schwarze Tanks geschaffen, von denen einer wie ein Kessel Dampf in die kühle Luft blies. Dahinter und viel, viel höher ragten die konstruktivistischen Krantitanen auf, die sie schon auf der Herfahrt erblickt hatte. Zwischen den Gleisen und diesen Riesenskulpturen fensterlose geometrische Körper aus rostigem Metall und eine große Anzahl von Frachtcontainern, die wie die Bauklötze eines ungewöhnlich ordnungsliebenden Kindes übereinander gestapelt waren. Sie stellte sich Bobbys Drahtgeflecht-Container vor, der unsichtbar darüber hing, wie Albertos gestürzter River auf dem Bürgersteig vor dem Viper Room lag.
    Hollis hörte ein irritierend durchdringendes, weißes Rauschen, das von diesem Ort ausging. Eine Umgebung aus Eisen, die man bis in die Knochen spürte. Nach einem Tag hier würde man es vermutlich nicht mehr wahrnehmen.
    Sie drehte sich um und sah an dem Gebäude hinauf, hinter dem Garreth geparkt hatte. Auch hier verblüffte sie die Größe. Acht hohe Stockwerke und die Grundfläche so groß, dass das Ganze wie ein Würfel aussah. Die Dimensionen eines alten Industriegebäudes aus Chicago, wie ein Fremdkörper hier.
    »Künstlerlofts«, sagte Garreth und öffnete die Hecktüren des Lieferwagens. »Ateliervermietungen.« Er holte die Karre heraus, befreite sie von den Expandern und klappte sie auseinander. Dann kam der lange, graue Koffer, den er vorsichtig auf das Pflaster neben die Karre stellte. Keine seiner Bewegungen war hektisch, dachte sie, aber er bewegte sich genau so schnell, wie es möglich war, ohne hektisch zu wirken. »Kannst du bitte das Stativ und die Tasche tragen?« Er umfasste den schwarzen Plastikkoffer und ächzte leise, als er sich damit herumdrehte und ihn auf die Karre setzte. Den grauen Koffer stellte er oben darauf, lehnte ihn gegen den Griff der Karre und befestigte das Ganze mit den Expandern.
    »Was ist da drin?«, fragte sie, während sie sich das Stativ unter den Arm klemmte, und meinte damit die Segeltuchtasche.
    »Ein Zielfernrohr. Und eine Schürze.«
    Sie hob den Sack an den Stoffgriffen hoch. »Schwere Schürze.«
    Er klappte die Hecktüren des Transporters zu, verschloss sie und bückte sich nach dem Griff der Karre.
    Sie blickte zurück zu den Containerstapeln und musste an Bigends Piratengeschichte denken. Einige Container waren so nah, dass man die Firmennamen lesen konnte: YANG MING. CONTSHIP.
    Er zog die Karre eine Rampe hinauf zu einer Doppeltür, die Hollis an Bobbys Fabrikgebäude denken ließ. Sie folgte Garreth, wobei die schwere Leinentasche gegen ihr Knie schlug, während er mit einem Schlüssel eine der Türen aufschloss.
    Sie ging hinein, und die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Brauner Fliesenboden, blütenweiße Wände, gute Beleuchtung. Garreth steckte einen anderen Schlüssel in das Edelstahl-Bedienfeld eines Aufzugs. Dann drückte er auf einen Knopf, der aufleuchtete. Breite, lackierte Türen öffneten sich mit einem Ruck und gaben den Blick auf einen raumgroßen Aufzug mit Wandverkleidungen aus splitterigem, rohem Sperrholz frei. »Echter Lastenaufzug«, sagte er anerkennend und zog die Karre mit den Koffern hinein. Sie stellte die Segeltuchtasche daneben, auf den farbbekleckerten Boden des Aufzugs. Garreth drückte einen Knopf. Die Türen gingen zu, und sie fuhren in die Höhe.
    »Ich war ein ganz großer Curfew -Fan , als ich im College war«, sagte er. »Bin es noch, meine ich. Du weißt, was ich meine.«
    »Danke«, sagte sie.
    »Warum habt ihr euch getrennt?«
    »Bands sind wie Ehen. Oder vielleicht nur die guten. Weiß Gott, warum sie funktionieren, und warum sie es irgendwann nicht mehr tun.«
    Der Aufzug blieb stehen, die Türen öffneten sich und wieder waren braune Fliesen zu sehen. Sie folgte ihm durch einen weißen Flur.
    »Warst du schon mal hier?«, fragte sie.
    »Nein.« Er stellte die Klappkarre neben einer Tür ab und holte den Schlüssel heraus. »Ich habe eine Freundin beauftragt, den Raum für einen Abend zu mieten. Sie arbeitet in der Filmproduktion und weiß, was man da sagen muss. Sie glauben, wir wollen es uns für Nachtaufnahmen ansehen und Kamerawinkel checken.« Er drehte den Schlüssel um. »Aber wir sind wirklich hier, um Winkel zu

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