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Quellcode

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Titel: Quellcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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sie sagte, einen Asthmaanfall erlitten, hervorgerufen entweder durch die pflanzlichen Teilchen in der Luft nach dem Sturm in der vorausgehenden Nacht oder durch die grenzwertige Menge an aromatherapeutischen Produkten in jeder Ecke des Standard.
    Und doch senkte sich diese Ruhe über Hollis, eigenartigerweise; diese unerwartete Klarheit, dieser Moment dessen, was der selige Jimmy Carlyle, Bassist von The Curfew aus Iowa, heitere Gelassenheit genannt hatte, ehe er dieses Tal des Heroins verließ. Trotz dieser Ruhe verstand sich Hollis doch noch als die Frau, die sie war, mit dem Alter und der Geschichte, die zu ihr gehörten, hier und heute Abend. Und alles davon fand sie mehr oder weniger okay, zumindest bis die Leute von Node in ihr Leben traten, vor einer Woche, mit einem Angebot, das sie weder ablehnen noch wirklich verstehen konnte.
    Wenn Node, wie es der zwar junge, aber doch scharf denkende Rausch beschrieben hatte, ein Technologie-Magazin mit kulturellem Touch war (ein Technologie-Magazin in interessanten Hosen, wie sie es sich vorstellte), folgte dann daraus wirklich, dass sie, ehemalige Sängerin von The Curfew und unbedeutende Gelegenheitsjournalistin, für wirklich gutes Geld beauftragt wurde, über diesen – um es einmal negativ auszudrücken – bescheuerten Kunsttrend zu schreiben?
    Nein, vernahm sie eine Stimme aus ihrer gerade so ruhigen Seele. Nein, wirklich nicht. Und die eigentliche Absonderlichkeit hier wurde dadurch enthüllt, dass Rausch ihr ganz offen die Anordnung gegeben hatte, sich mit Bobby Chombo zu treffen, wer oder was auch immer er sein mochte, und auf etwas zu achten, das mit Frachtschifffahrt, den »Mustern des internationalen Frachtverkehrs« zu tun hatte. Das war es, wurde ihr klar, was ›das‹ in diesem Fall auch sein mochte, und mit Odile Richard und dem Rest von diesen Leuten hatte es wahrscheinlich nichts zu tun.
    Während sie so auf den vorbeiziehenden Strom auf dem Sunset blickte, sah sie auf einmal die Drummerin von The Curfew, Laura ›Heidi‹ Hyde in einem Auto, das sie, die niemals groß an Autos interessiert gewesen war, für einen kleinen SUV deutscher Herkunft hielt. Außerdem wusste sie, dass Heidi, mit der sie fast drei Jahre lang nicht mehr gesprochen hatte, jetzt in Beverly Hills wohnte und in Century City arbeitete. So dass sie sich fast sicher war, sie jetzt gerade auf dem Heimweg von der Arbeit gesehen zu haben.
    »Faschistoide Arschlöcher«, beschwerte Alberto sich aufgebracht, als er zu ihr kam, unter dem einen Arm seinen Laptop, unter dem anderen das Visier. Irgendwie sah er zu ernst aus, um so etwas zu sagen, und einen Augenblick lang stellte sie sich ihn als Figur in einer grafisch reduzierten Animation vor.
    »Es ist okay«, sagte Hollis. »Es ist wirklich okay. Ich habe es gesehen. Die Idee dahinter verstanden.«
    Alberto blinzelte mit den Augen. War er den Tränen nahe?
     
    »Bobby Chombo«, sagte sie, als sie dann im Hamburger Hamlet saßen, zu dem sie Alberto hatte fahren lassen.
    Alberto kräuselte sorgenvoll die Stirn.
    »Bobby Chombo«, sagte sie noch einmal.
    Er nickte grimmig. »Ich lasse ihn alle meine Werke machen. Brillant.«
    Sie starrte auf die übertrieben kunstvollen, schwarzen Lettern an seinen Unterarmen. Ihre Bedeutung war ihr schleierhaft. »Alberto, was steht da eigentlich auf deinen Armen?«
    »Nichts.«
    »Nichts?«
    »Das hat ein Künstler aus Tokio gemacht. Er abstrahiert Alphabete so lange, bis sie absolut unlesbar sind. Die Buchstaben-folge ist nach dem Zufallsprinzip entstanden.«
    »Alberto, was weißt du über Node, das Magazin, für das ich schreibe.«
    »Europäisch? Neu?«
    »Hast du Odile schon gekannt, bevor sie hier auftauchte?«
    »Nein.«
    »Hast du jemals vorher von ihr gehört?«
    »Ja. Sie arbeitet als Kuratorin.«
    »Und sie hat Kontakt mit dir aufgenommen, um den Kontakt mit mir herzustellen, für Node?«
    »Ja.« Der Ober kam mit zwei Corona-Bier. Hollis nahm ihres, stieß an den Flaschenhals von Albertos Bier und trank aus der Flasche. Nach einer Pause trank auch er. »Warum fragst du mich das alles?«
    »Ich habe vorher noch nie für Node gearbeitet. Ich möchte gern ein Gefühl dafür bekommen, was sie tun und wie sie arbeiten.«
    »Warum hast du dich nach Bobby erkundigt?«
    »Ich schreibe über deine Kunst. Warum sollte mich die technische Seite davon nicht interessieren?«
    Alberto fühlte sich sichtlich unbehaglich. »Bobby …«, begann er und verstummte. »Er ist ein sehr zurückgezogener

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