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Titel: Quellcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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ihr eigenes Telefon sinken und lauschte dem Nachmittagsverkehr auf dem Sunset. Sie hatte keine Ahnung, wo Odiles Roboter hingekommen war. Er war nicht zu hören.
    Dafür hörte sie wie Inchmale in Buenos Aires den Hörer wieder in die Hand nahm.
    »Bigend«, sagte er.
    Vom Sunset hörte sie Bremsen, einen Aufprall, das Splittern von Glas.
    »Wie war das?«
    »Bigend. Wie englisch ›big‹ und ›end‹. Werbemagnat.«
    Das Heulen einer Autoalarmanlage.
    »Der, der Nigella geheiratet hat?«
    »Das ist Saatchi. Hubertus Bigend. Belgier. Die Firma heißt Blue Ant.«
    »Und?«
    »Ange sagt, dein angebliches Node- Magazin ist ein Projekt von Bigend. Node heißt eine von mehreren kleinen Firmen, die er in London besitzt. Sie hatte ein paar Mal mit seiner Agentur zu tun, als sie noch beim Magazin war, wenn ich mich recht erinnere. Es gab da irgendeine Auseinandersetzung.« Der Alarm verstummte, dann war eine herannahende Sirene zu hören. »Was ist das?«, fragte Inchmale.
    »Ein Unfall auf dem Sunset. Ich bin im Mondrian.«
    »Brauchen sie dort noch immer einen Castingdirektor, wenn sie Hotelpagen einstellen?«
    »Sieht ganz so aus.«
    »Zahlt Bigend?«
    »Und wie«, sagte sie. In nächster Nähe war erneut das Quietschen von Bremsen zu hören, und dann verstummte die Sirene, die eben noch sehr laut gewesen war.
    »Kann ja nicht nur schlecht sein«, meinte Inchmale.
    »Nein«, erwiderte sie, »kann es nicht.« Konnte es?
    »Wir vermissen dich. Wir sollten in Kontakt bleiben.«
    »Das werden wir, Reg. Danke. Und danke an Angelina.«
    »Tschüss.«
    »Tschüss dann.«
    Als sie auflegte, war wieder eine näher kommende Sirene zu hören. Wahrscheinlich diesmal ein Krankenwagen. Sie beschloss, nicht nachzusehen. Es hatte nicht allzu schlimm geklungen. Sie konnte überhaupt nichts Schlimmes brauchen im Moment.
    Mit einem perfekt gespitzten Hotelbleistift schrieb sie im Dunkeln »BIGEND« in großen Blockbuchstaben auf einen quadratischen Block aus weißem Notizpapier mit Mondrian- Prägung. Später würde sie ihn googeln.

8. GÄNSEHAUT
    Sie beobachtete Alberto, wie er versuchte, den Sicherheitsleuten zu erklären, worum es sich bei dem Helm und dem Laptop handelte. Die zwei schlicht Uniformierten wirkten nicht so, als würden sie sich groß für Locative Art interessieren. Das tat sie im Moment allerdings auch nicht.
    Alberto wollte ihr irgendeine Arbeit über Jim Morrison zeigen, an der Wonderland Avenue, aber dazu hatte sie überhaupt keine Lust. Selbst wenn es nicht um die legendäre Rüpelhaftigkeit des Lizard King gehen sollte und das Ganze sich z.B. auf Ray Manzareks Orgelstücke konzentrierte: Sie wollte trotzdem nicht über virtuelle Denkmäler für die Doors schreiben müssen, für keinen von ihnen. Obwohl, wie Inchmale einige Male betont hatte, als sie selbst noch eine Band waren, Manzarek und Krieger wahre Wunder vollbracht hatten, um die Säuferexzentrik ihres Bandleaders auszugleichen.
    Als sie so im Abendsmog vor diesem Ladenkomplex an der Ecke Crescent Heights/Sunset Boulevard stand und Alberto Corrales zusah, wie er dafür stritt, dass sie, Hollis Henry, seine virtuelle Wiedergabe von Scott Fitzgeralds Herzanfall anschau-en konnte, spürte sie auf einmal eine Art Distanz, die sich auf sie herabsenkte, eine Losgelöstheit besonderer Art – bedingt wahrscheinlich durch ihren neuen Haarschnitt, den ihr ein charmanter und begabter junger Mann im Salon des Mondrian zu ihrer vollkommenen Zufriedenheit verpasst hatte.
    Der Herzanfall war nicht Fitzgeralds Ende gewesen. Und wenn sie Alberts Darstellung davon nicht zu sehen bekam, würde das auch nicht das Ende für ihre Reportage bedeuten. Oder richtiger: Wenn sie das meiste davon nicht zu sehen bekam, denn einen kurzen Blick hatte sie darauf werfen können. Ein Mann im Tweedjacket, der sich an der verchromten Moderne-Theke an die Brust fasst, eine Packung Chesterfields in seiner rechten Hand. Die Chesterfields mussten eine etwas höhere Auflösung haben als der Rest rundum, der aber überraschend detailliert zu sehen gewesen war, bis hin zu den fremd wirkenden Umrissen der Autos draußen auf dem Sunset. Aber die Abneigung der Virgin-Sicherheitsleute gegen das Tragen von Masken oder maskenähnlichen Visieren in der World-Music-Abteilung hatte dem ein Ende gesetzt, und Hollis hatte Alberto die Visierapparatur rasch in die Hand gedrückt und war geradewegs nach draußen gegangen.
    Odile hätte die Wachmänner vielleicht um den Finger wickeln können, aber sie hatte, wie

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