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Titel: Quellcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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verschlossenen Bar, die wie ein riesiger Instrumentenkoffer mit Gummirädern gestaltet war.
    Hollis hatte die Instrumente schon beim Einchecken bemerkt. Eine einzelne Congatrommel, ein Paar Bongos, eine Akustikgitarre und ein elektrischer Bass, die beiden Letzteren auf billigen Chromständern. Es waren gebrauchte Instrumente, sie sahen sogar ziemlich gebraucht aus, aber Hollis bezweifelte, dass sie jetzt noch gespielt wurden. Wenn, dann sicher nicht oft.
    Heidi ging weiter, mit geschmeidigen Bewegungen ihrer Drummerinnenschultern unter dem matt blauen Blazer von Girbaud. Hollis musste an ihren Bizeps in ärmellosen Shirts bei Bühnenauftritten denken. Sie ging ihr hinterher.
    »Was soll dieser Quatsch?« Heidi starrte erst auf die Instrumente, dann auf Hollis. »Sollen wir denken, dass Clapton vorbeischaut? Oder sollen wir nach unserem Sushi vielleicht mal kurz eine Jam-Session einlegen?«
    Hollis wusste, dass Heidis Abneigung gegen jede Dekoration die logische Konsequenz ihrer Abneigung gegen Kunst im Allgemeinen war. Als Tochter eines Technikers bei der Air Force war sie die einzige Frau, die Hollis kannte, die ein Faible fürs Schweißen hatte, wenn es darum ging, etwas Wichtiges zu reparieren.
    Hollis sah die hölzerne No-Name-Gitarre an. »Hootenanny Time. Ich glaube, sie beziehen sich auf Venice vor den Beatles. Venice Beach.«
    »›Sich beziehen auf‹. Laurence sagt, er bezieht sich auf Hitchcock.« Aus ihrem Mund klang das nach Geschlechtskrankheit.
    Hollis hatte Laurence noch nie kennen gelernt, rechnete nicht damit, ihn kennen zu lernen, und hatte auch kein Verlangen danach, und sie hatte Heidi kurz nach der Auflösung der Band das letzte Mal gesehen. Ihr unerwartetes Auftauchen und die nähere Betrachtung des Boyscouts-of-Amerika-Beatnik-Jazz-Tableaus brachten für sie den ganzen Schmerz um Jimmy wieder. Es war, als erwartete sie sein Erscheinen hier, als sollte er hier sein, als wäre er tatsächlich hier, nur gerade nicht im Blickfeld oder hinter einer Ecke verborgen. Hatten nicht Spiri-tualisten Instrumente schon so arrangiert, in ihren Seánce-Salons? Obwohl von den vier Instrumenten hier das von Jimmy, der Elektrobass, das einzige war, das man nicht einfach nehmen und spielen hätte können. Kein Kabel, kein Amplifier, kein Lautsprecher. Was wohl aus Jimmys Pignose-Bassgitarre geworden war?
    »Er hat mich besucht, eine Woche bevor er starb«, sagte Heidi. Hollis zuckte zusammen. »Er war in dieser Klinik außerhalb von Tucson gewesen, hatte die achtundzwanzig Tage hinter sich gebracht. Sagte, er würde zu Therapiesitzungen gehen.«
    »Das war hier in L.A.?«
    »Ja. Das mit Laurence und mir fing damals gerade an. Ich habe sie einander nicht vorgestellt. Er war irgendwie nicht in Ordnung, Jimmy. Zumindest hatte ich das Gefühl.« Für einen Augenblick kam hinter Heidis brüsker Art ein Teil von ihr zum Vorschein, den Hollis wirklich mochte: etwas Kindliches und Verschrecktes, das aber sofort wieder verschwand. »Du warst in New York, als er starb?«
    »Ja, aber nicht in Upstate. Ich war in der City, hatte aber kei-ne Ahnung, dass er zurück war. Ich hatte ihn fast ein Jahr nicht gesehen.«
    »Er hat dir Geld geschuldet.«
    Hollis sah Heidi an. »Ja. Hat er. Das hätte ich beinahe vergessen.«
    »Er hat es mir erzählt, wie er sich die fünftausend von dir geliehen hat, in Paris, am Ende der Tour.«
    »Er hat immer gesagt, dass er es mir zurückgeben will, aber ich konnte mir nie vorstellen, dass das irgendwann passieren würde.«
    »Ich wusste nicht, wie ich Kontakt mit dir aufnehmen sollte«, sagte Heidi, die Hände in den Taschen ihres Blazers. »Ich habe angenommen, du würdest irgendwann einmal zufällig auftauchen. Und da bist du nun. Tut mir leid, dass ich es dir nicht früher geben konnte.«
    »Was geben?«
    Heidi zog ein zerknittertes weißes Briefkuvert aus ihrer Blazertasche und gab es Hollis. »Fünfzig Hunderter. Genau wie du es ihm gegeben hast.«
    Hollis sah ihre Initialen in verblasstem, rotem Kuli in der oberen, linken Ecke. Es verschlug ihr den Atem. Sie seufzte, und da sie nicht wusste, was sie sonst damit tun sollte, legte sie das Kuvert auf den Karton und blickte Heidi darüber hinweg an. »Danke. Danke, dass du es für mich aufgehoben hast.«
    »Es war ihm wichtig. Ich hatte nicht das Gefühl, dass die anderen Dinge, von denen er sprach, für ihn wirklich wichtig waren. Dieser Ort in Arizona, die Drogen-Reha, irgendein Produktionsangebot in Japan … Aber er wollte sicher gehen,

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