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die Orangenlimo, weil sie eher Softdrink als Saft war. Man konnte hier auch Säfte bekommen, aber nicht zum Recession Special, und Saft gehörte nicht zu dem speziellen Gray's Feeling, bei dem es um gebratene Frankfurter ging, um weiche weiße Brötchen und wässrig süße Softdrinks, alles im Stehen zu sich genommen, unter hell strahlenden, surrenden Neonröhren.
Wohnten sie im New Yorker, wie es heute Abend wieder der Fall sein würde, war das Gray's nur zwei Blocks die Eighth Avenue hinauf entfernt. Für Milgrim hatte das Lokal etwas Tröstliches. Er erinnerte sich an Zeiten, als die zwei Frankfurter und das Getränk, aus dem das Recession Special bestand, noch 1,95 Dollar gekostet hatten.
Milgrim bezweifelte, dass das Gray's auch Brown so etwas wie Trost spendete, aber er wusste doch, dass Brown hier relativ gesprächig werden konnte. Er bestellte sich immer die alkohol-freie Piña Colada zu seinen Frankfurtern und legte dann die
Anfänge des Kulturmarxismus in Amerika dar. Laut Brown war das, was andere Leute political correctness nannten, in Wirklichkeit Kulturmarxismus und nach dem Zweiten Weltkrieg aus Deutschland in die Staaten gekommen, in den schlauen Köpfen junger Professoren aus Frankfurt. Die Frankfurter Schule, wie sie sich nannten, hatte sich sofort darangemacht, ihre intellek-tuellen Legestacheln in die ahnungslosen Körper amerikanischer Akademien alter Schule zu bohren. Milgrim genoss diesen Teil immer; er war von einer ansprechend altmodischen Sci-Fi-Theatralik, ein aufregendes Stakkato, das in grieseligem Schwarz-Weiß eurokommunistisches Sternengezücht mit Tweed-Jackets und Strickkrawatten vorführte, das sich ausbreitete wie Starbucks. Aber wenn die Schimpftirade ihrem Ende zurollte, wurde er immer wieder auf den Boden geholt von Browns Schlussbemerkung, dass die Mitglieder der Frankfurter Schule jüdisch gewesen waren, und zwar alle. »Je-der ein-zel-ne.« Brown tupfte dabei mit einer präzise gefalteten Papierserviette Senf aus seinen Mundwinkeln. »Schlag es nach.«
Und genau so war es auch dieses Mal abgelaufen, nach Milgrims langem Tag in der Wäscherei. Brown hatte das alles gerade gesagt, und Milgrim hatte genickt und seinen zweiten Hotdog zu Ende gemampft, froh darüber, dass sein voller Mund ihn am Antworten hinderte.
Als sie beide mit ihren Specials fertig waren, war es Zeit, die Eighth Avenue entlang zum New Yorker zu laufen. Es herrschte mäßiger Verkehr und in der Luft lag ein Hauch von Frühling, eine leichte Wärme wie eine Vorwarnung, die Milgrim fast für eine Halluzination hielt, aber trotzdem genoss. Als dann der gelbe Hummer-Geländewagen langsam vorbeifuhr, auf der Spur neben ihnen, während sie südwärts gingen, bemerkte er ihn sofort. Musste man ja auch, sagte er sich später. Nicht weil es ein echter Hummer war, und keiner von diesen gefakten, und nicht weil er gelb war, sondern weil es ein Hummer war und weil er gelb war, und weil er diese dämlichen Radkappen hatte, die sich nicht mitdrehten, sondern nur ein bisschen auf und ab wippten. Die Radkappen hier waren gelb, ein passendes Gelb, und jede hatte einen Smiley drauf, oder zumindest die zwei auf der Gehwegseite, die Milgrim sehen konnte.
Aber was Milgrims Aufmerksamkeit wirklich fesselte, als das gelbe Vehikel in Richtung Norden entschwand, war die Tatsache, wie sehr Fahrer und Beifahrer den zwei Mohrenrittern aus der Wäscherei ähnelten, in der Lafayette. Schwarze Strickmützen, Skullcaps, eng an massigen Schädeln, und Brustflächen aus schwarzem, knopfbesetztem Leder, ausladend wie Sofas.
Gilbert und George auf den Vordersitzen eines Hummers.
27. INTERNATIONALE WÄHRUNG FÜR ILLEGALEN SCHEISS
Seelisch in Form gehalten von dem dicken weißen Mondrian -Morgenmantel, ihrer Sonnenbrille und einem Zimmerfrühstück aus Granola-Knuspermüsli, Joghurt und einem Wassermelonen-Shake lehnte sich Hollis in einem der breiten weißen Sessel zurück, legte ihre Füße auf den kürzeren der beiden Couchtische mit Marmorplatte und betrachtete die Blue-Ant-Figur aus Vinyl auf der Stuhllehne. Sie war augenlos, oder jedenfalls hatte der Designer sich entschieden, die Augen nicht darzustellen. Außerdem trug sie ein entschlossenes Grinsen zur Schau, den Ausdruck eines Cartoon-Underdogs, der sich seines geheimen Status' als Superheld wohl bewusst ist. Auch ihre Haltung vermittelte das, die Arme seitlich des Körper leicht abgewinkelt, Fäuste geballt, Füße in der kampfbereiten L-Stellung der Marti-al Arts. Der
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