Quellen Der Lust
fand. Oder vielleicht auch nicht. Anders als bei anderen Frauen fiel es ihm bei ihr schwer zu erraten, was in ihr vorging.
„Ich verbringe gern Zeit in meinem Garten“, erwiderte sie.
Erleichterung durchströmte ihn. Der Garten. Ausgezeichnet. Darin lag nichts Sinnliches. „Ich habe etwas davon gesehen, als ich gestern zu Ihrem Haus ging. Er sieht reizend aus.“
„Vielen Dank. Ich finde ihn sehr friedlich.“
„Und so gut gepflegt. Vielleicht nennen Sie mir den Namen Ihres Gärtners, dann gebe ich ihn an Dr. Oliver weiter? Ich befürchte, seine Sträucher sind zu groß geworden, seit er Little Longstone verlassen hat.“
„Tatsächlich brauche ich selbst einen neuen Gärtner. Meine liebe Freundin Catherine hat mir immer geholfen – wir haben Stunden zusammen im Garten verbracht, aber sie hat kürzlich geheiratet und lebt jetzt in London. Seit ihrem Weggang hat Baxter sich um alles gekümmert, aber ich fürchte, es fällt ihm schwer zu unterscheiden, was Unkraut ist und was nicht. Und in Anbetracht der Tatsache, dass er so umhertrampelt …“ Sie lachte leise. „Ich fürchte, er hat einige der Pflanzen zu Tode erschreckt.“
Simon nickte. „Die Gartenarbeit erfordert zarte Berührungen.“
In ihrem Gesicht erschien ein sehnsüchtiger Ausdruck. „Ja. Ich habe das früher alles selbst gemacht …“ Dann fiel ihr Blick auf ihre behandschuhten Hände, die sie in den Falten ihrer Pelerine verborgen gehalten hatte. „Aber als der Garten größer wurde, wurde es für mich allein zu viel.“
Er folgte ihrem Blick. Ihm fiel auf, dass sie ihre Hände, so gut es eben ging, stets den Blicken entzog, obwohl sie Handschuhe trug. Während seines Besuches am Vortag hatte sie sie selbst im Haus getragen, was ihm seltsam erschienen war. Neugier erfasste ihn, doch das ignorierte er. Wenn er zu früh nach zu vielen Informationen verlangte, würde er sie vielleicht verschrecken, und das durfte er nicht riskieren – nicht ehe er den Brief hatte. Dennoch musste er mehr über sie erfahren, musste eine Beziehung zu ihr aufbauen. Eine vertrauensvolle Beziehung.
Ehe er jedoch weitersprechen konnte, kam ein Junge, den Simon auf vielleicht acht Jahre schätzte, zu ihm, den Blick auf Beauty gerichtet.
„Das ist ein schöner Hund, Sir“, sagte der Junge und kam näher. „Darf ich ihn streicheln?“
„Er ist eine Sie“, sagte Simon lächelnd. „Und ja, das darfst du. Aber ich warne dich, wenn sie aufwacht, wird sie dich nach Hundeart küssen wollen.“
Der Junge lächelte und zeigte seine Zahnlücken. „Das ist in Ordnung, Sir. Ich mag Hundeküsse.“ Er streckte die Hand aus und strich damit über das weiche Fell des Hundes. „Wie heißt sie?“
„Beauty.“
Der Junge lächelte breiter. „Und sie schläft – genau wie in dem Märchen.“ Dann wurde seine Miene ernst. „Nur dass sie ein Hund ist, keine Prinzessin. Und ich bin kein Prinz.“
„Vielleicht verwandelst du dich in einen, wenn sie dich küsst“, sagte Simon.
Der Junge lachte. „Das glaube ich nicht. Ich werde Seemann. Wie mein Papa.“
Simon nickte ernst. „Ausgezeichnet. England braucht gute Seeleute. Und wie heißt du?“
„Benjamin Paxton, Sir.“ Der Junge hielt ihm seine nicht besonders saubere Hand hin.
Simon ergriff sie. „Simon Cooper. Und dies ist eine Freundin von mir, Mrs. Ralston, die mir geholfen hat, Beauty auszusuchen.“
Benjamin nickte Mrs. Ralston zu. „Das haben Sie gut gemacht. Sie haben sie aus dem Wurf des Schmiedes, nicht wahr? Ich habe gesehen, dass er Welpen verkauft.“
„Ja“, sagte Mrs. Ralston. „Wirst du dir einen kaufen?“
Der Junge stieß mit der Stiefelspitze gegen den Boden und schüttelte den Kopf. „Wir können keinen Hund haben. Meine kleine Schwester muss dann ganz schrecklich niesen und husten.“ Er strich mit den Fingern über Beautys Fell. „Ich muss bei Hunden aber nicht husten und niesen.“
„Vielleicht nicht“, sagte Simon. „Aber es ist die Pflicht eines Bruders, auf seine Schwester aufzupassen und sie zu beschützen. Ich wette, du machst das gut.“
Benjamin richtete sich auf und nickte. „Ja, Sir. Rufus Templeton hat schlimme Dinge zu Annabelle gesagt, und ich habe ihm dafür die Nase blutig gehauen.“
„Guter Junge. Ich habe auch ein paar Nasen blutig gehauen, um meine jüngere Schwester zu verteidigen.“
„Wir Männer müssen so etwas tun“, erklärte Benjamin feierlich.
In diesem Moment erwachte Beauty, und – wie Simon es vorausgesagt hatte – suchte nach
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