Quellen innerer Kraft
Jesus der Frau ein Wasser, das den Durst für immer löscht. Sie brauche nicht mehr ständig aus dem Jakobsbrunnen ihr Wasser zu schöpfen. In ihr selber sei eine Quelle, aus der sie immer trinken könne. Er sagt von dem Wasser, das er dem schenkt, der ihm vertraut: „Vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.“ (Joh 4,14) Die Frau ist fasziniert von dieser Verheißung, und sie bittet Jesus: „Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe und nicht mehr hierher kommen muss, um Wasser zu schöpfen.“ (Joh 4,15) Wir können diesen Wunsch gut verstehen. Auch wir selber haben ja das Gefühl, dass es mühsam ist, ständig und immer wieder neu aus irgendwelchen Brunnen schöpfen zu müssen, zumal diese Zufuhr von außen immer nur für kurze Zeit reicht. Da sehnen wir uns nach einer inneren Quelle, die immer strömt. Diese Quelle verheißt uns Jesus. Für die Samariterin ist es einmal die Quelle, aus der sie ihren Durst nach Leben stillt. Jesus verheißt ihr ewiges Leben. Ewiges Leben ist Leben in Fülle, Leben ganz im Augenblick. Es ist ein Dasein, in dem Zeit und Ewigkeit, Himmel und Erde,Gott und Menschen zusammenfallen. Jesus verspricht der Frau ein Wasser, das ihren tiefsten Durst löscht und das sie davor bewahrt, innerlich zu vertrocknen. Er spricht aber auch von der Quelle der Liebe, die nie versiegt. Sein Gespräch mit der Samariterin kreist um ihre sechs Männer, die ihre Sehnsucht nach Liebe nicht erfüllt haben. Wenn sie von dem Wasser kostet, das Jesus ihr gibt, – so die Verheißung – dann wird ihre Sehnsucht nach Liebe gestillt. Sie hört dann auf, von einem Mann zu erwarten, dass er sie mit seiner Liebe satt machen könne. Sie entdeckt in sich selber die Quelle der unendlichen göttlichen Liebe, die Quelle des Heiligen Geistes, die in ihr ist.
Das Bild der Quelle ist ein zentrales und immer wiederkehrendes Symbol im Johannesevangelium. Die beiden wichtigsten Heilungsgeschichten in diesem Evangelium spielen sich in der Nähe einer Quelle oder eines Teiches ab. In beiden Geschichten geht es darum, dass Jesus die Kranken mit ihrer inneren Quelle, letztlich mit der göttlichen Quelle, in Berührung bringen will. Für Johannes wird ein Kranker erst dann wirklich gesund, wenn er wieder aus der Quelle des Heiligen Geistes zu trinken vermag. In der ersten Geschichte geht es um einen Gelähmten, der schon 38 Jahre krank ist und keine Abwehrkraft mehr in sich hat. Er liegt unter vielen Kranken, die sich damals um den Teich von Bethesda legten, um beim Aufwallen des Wassers in den Teich zu gelangen und dadurch Heilung zu erlangen. Der Gelähmte hat keine Chance, in den Teich zu kommen. Immer ist schon ein anderer vor ihm. Jesus heilt ihn, indem er ihn anschaut und versteht. Aber das Verständnis allein genügt nicht. Jesus lockt den Kranken aus sich heraus mit der provozierenden Frage: „Willst du gesund werden?“ (Joh 5,6) Wir meinen, jeder möchte gerne gesund werden. Doch esgibt Kranke, die sich mit ihrer Krankheit eingerichtet haben. Sie haben ja auch einen Vorteil durch die Krankheit. Sie brauchen keine Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen und können sich immer von andern pflegen lassen. Mit seiner Frage möchte Jesus die Kraft, die im Kranken steckt, hervorlocken. Auch im Kranken ist eine Quelle von Energie. Und mit dieser inneren Quelle muss der Kranke zunächst in Berührung kommen, damit er gesund wird. Der Kranke aber weicht der Frage aus. Er erzählt, warum er nicht gesund werden könne. Auf diese Ausreden antwortet Jesus nicht verständnisvoll und mitfühlend, wie wir es vielleicht erwarten würden. Vielmehr fordert er ihn auf: „Steh auf, nimm deine Bahre und geh!“ (Joh 5,8) Man könnte sagen: Mit diesem Wort bringt Jesus den Kranken mit seiner inneren Quelle in Berührung. Heilung heißt für Jesus: die Menschen mit der heilenden Kraft ihrer inneren Quelle in Kontakt zu bringen. Er weigert sich, die Krankheit einfach mit einem Wort oder mit einer Berührung wegzuzaubern. Der Kranke kann selber aufstehen und gehen. Doch damit das gelingt, muss er aufhören, aus der trüben Quelle seines Selbstmitleids zu schöpfen. Er muss tiefer bohren, um an die innere Quelle zu gelangen, aus der genügend Energie strömt, die ihn leben lässt.
Die zweite Heilungsgeschichte geschieht am Teich von Schiloach. Es geht in ihr um das Phänomen, dass die trübe Quelle das Augenlicht trübt. Wer aus ihr schöpft,
Weitere Kostenlose Bücher