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Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Titel: Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
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Kreissägeblatt ragte. Überall auf den Fotos sah man Blut. Getrocknet, aber auch noch als große dunkelrote Lache unter dem Tisch. Birmosers Beine hingen noch auf dem Tisch. Sein Oberköper und der Kopf hatten auf dem Boden aufgesetzt. Er sah aus wie ein Taucher beim Sprung ins Wasser. Zwischen seinen Beinen ragte ein blutiges Sägeblatt hervor.
    »Wir glauben, dass er eine große Platte, die du hier siehst …«, Straßberger deutete auf eine Spanplatte, die mit mehreren blutigen Handabdrücken bedeckt war, »… auf Format sägen, also etwas ausschneiden wollte. Er beugt sich nach vorn. Am Hals trägt er eine Stahlkette. Die rutscht aus dem Hemd, verfängt sich im Blatt der Kreissäge, reißt nicht sofort, zieht blitzschnell Andis Kopf nach vorn. Das Blatt reißt ihm ins Gesicht und in den Hals. Er versucht, den Notschalter auf Kniehöhe zu erreichen, dabei stürzt er kopfüber und gerät erneut in das Sägeblatt – diesmal mit den Beinen.«
    Quercher brachte nur ein »Um Gottes willen! Was für ein Tod!« heraus.
    Straßberger redete weiter, als ob ihn das Beschreiben des Hergangs beruhigen würde. »Wir sind natürlich Hinweisen auf Fremdeinwirkung nachgegangen. Der Kriminaldauerdienst aus Rosenheim ist auch schon da. Aber nach deren ersten Untersuchungen ergab sich diesbezüglich kein Verdacht.«
    »Ja, ich habe die Kollegen unten an der Polizeistation getroffen. Die waren sich sehr sicher. Schließt ihr Suizid aus?«, fragte Quercher leise.
    »Wir haben weder hier noch bei ihm daheim einen Abschiedsbrief gefunden. Eben war ein Mann von der Berufsgenossenschaft da. Auch der sagt, dass es nach einem Unfall aussieht. Der Körper ist bereits in München und geht auf jeden Fall in die Rechtsmedizin, hat der Staatsanwalt angeordnet. Es könnte ja sein, dass er gezwungen wurde …«
    Quercher nickte. Er sah sich weitere Fotos an. Birmoser hatte ein T-Shirt getragen, was angesichts der Kälte draußen und der kühlen Werkstatt ungewöhnlich war. Quercher betrachtete die Arme. Wenn jemand den Schreiner an die Säge gezwungen hätte, müssten Hämatome an den Oberarmen erkennbar sein. Als die Fotos gemacht wurden, hatte die Leichenstarre schon eingesetzt. Das Blut war in die Handregion gesackt. Aber Quercher konnte an den Armen nichts entdecken.
    »Was sagt der Arzt?«, fragte er Straßberger.
    »Zum Todeszeitpunkt war er bei Bewusstsein. Die Abdrücke der Hände stammen von Birmoser. Keine Kampfspuren in und um den Tatort sowie auf der Säge selbst. Trotz der schweren Verletzung hat er wohl noch einige Minuten gelebt.«
    Straßberger und die Kollegen aus Rosenheim hatten gute Arbeit geleistet, soweit er das beurteilen konnte. Auch Quercher wäre, wenn er hier ermittelt hätte, auf dieses vorläufige Ergebnis gekommen.
    »Weiß die Mutter es schon?«, fragte Quercher den Kollegen.
    »Ja, ich war eben bei ihr.« Straßberger stockte die Stimme. Beide kannten Christl Birmoser. Erst war vor wenigen Jahren der Mann gestorben, jetzt der einzige Sohn.
    Quercher und Straßberger verabredeten, sich in einer Viertelstunde vor der Polizeistation zu treffen. Hier in der Schreinerei gab es nichts mehr für sie zu tun. Quercher stieg in seinen Wagen, wo Lumpi selig auf der Vorderbank geschlafen hatte und nun müde zu ihm aufschaute. Er kraulte ihren Nacken und spürte, wie sie angesichts der Kälte zitterte.
    »Du bist ein echt knallharter bayerischer Jagdhund, Lumpi.«
    Wann immer seine Gedanken sich verdüsterten, genügte ein Blick von Lumpi, eine zärtliche Geste, und er lächelte. Der Psychiater hatte ihm ein Haustier empfohlen, und als seine Mutter ihm am Telefon von dem Welpen erzählt hatte, wollte er ihn sich zumindest einmal anschauen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Mit ihren großen braunen Augen, den schmalen ledrigen Ohren und der langen Schnauze sah die kleine Hündin aus wie Pluto von Micky Maus. Vermutlich war sie das einzige weibliche Wesen, das er bedingungslos liebte.
    Für ein paar Minuten verharrte Quercher regungslos auf dem Fahrersitz. Ausgerechnet der Mann, der wenige Tage zuvor den Baum gefällt und die Wachsleiche gefunden hatte, war jetzt tot. Straßberger schien keinen Zusammenhang zu sehen. Quercher schüttelte den Kopf. Vermutlich sah er schon Gespenster. Jetzt würden sie die Wachsleiche holen und bald wäre alles vorbei.

Kapitel 6
    Bad Wiessee, Dienstag, 19.   12., 09.17   Uhr
    Es war ein Rohbau. Ein Russe hatte das Grundstück gekauft. Und er hatte Schlickenrieder den ersten Abschlag in

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