Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht
Aufgaben.
»Während du in der Dienststelle bleibst und den Bestatter anrufst, werden Frau Kürten und ich den Fundort ansehen. Sag dem Bestatter, dass er sofort hochkommen soll und mit der Bergung anfangen kann. Den Rechtsmediziner aus Miesbach könntest du auch noch einmal kontaktieren. Er hat ja eine Probe von der Leiche untersucht. Ich will nur ganz sicher gehen. Vielleicht können wir so noch mehr über die Todesursache herausfinden.« Quercher wandte sich Hannah zu. »Das dürfte ja auch in Ihrem Interesse sein.«
Hannah hatte ihren Kopf weit nach vorn gebeugt, tippte und wischte auf ihrem iPhone herum und nickte nur.
»Wollen Sie in dieser Kleidung auf den Berg hoch?«, fragte er in die Stille.
Sie antwortete nicht.
»Arzu, kümmere dich um das DNA-Gutachten, und hier ist ein Zettel mit ein paar Fragen und Telefonnummern, die du bitte abtelefonierst.«
Jetzt erst hob Hannah den Kopf. »Ermitteln Sie etwa?«
Nun war es Quercher, der nicht antwortete.
Als er mit seinem Mercedes vor der Dienststelle parkte, fuhr er um ein Haar zwei Männer um, die Quercher kannte. Es waren Kollegen der Kripo aus Miesbach.
Arzu lief sofort in die Dienststelle und bat Hannah, mitzukommen. Sie brauchte einen Abstrich aus ihrem Mund für den DNA-Vergleich.
Quercher grüßte die Kollegen mit einem Nicken. »Andi, Siggi, servus. Was macht ihr denn hier?«
Einer der beiden hatte sich gerade ein großes Stück einer Semmel mit Kalbsfleischwurst in den Mund gesteckt. Deshalb antworterte der andere. »Ein Toter – da oben.« Er zeigte zu einer Siedlung, die an den Bergen angrenzte. »In einer Schreinerei. Routinesache. War vermutlich ein Unfall. Keine Fremdeinwirkung. Der Sachverständige ist schon …«
Quercher unterbrach ihn. »Wie hieß denn der Schreiner?«
Der andere Kollege hatte mittlerweile seine Semmel hinuntergeschluckt. »Birmoser Andreas. Ist mit dem Kopf in die Bandsäge gekommen.«
Quercher hob die Augenbrauen. Er fühlte Unruhe in sich aufsteigen. »Wo ist der Straßberger?«
Der Kollege zeigte wieder auf die Siedlung. »Sichert momentan den Tatort und redet danach mit einer Angehörigen. Warum?«
Statt zu antworten, fragte Quercher: »Darf ich mir mal den Tatort ansehen?«
Als er die skeptischen Blicke der Kollegen sah, fügte er hinzu: »Der Typ ist der Grund, warum ich hier bin. Der hatte … Ach, das erzähl ich euch gleich. Ich sage nur meiner Kollegin Bescheid.«
Die beiden Männer zuckten mit den Schultern, stiegen in einen roten BMW und fuhren vom Hof. Quercher holte sein Telefon heraus und rief Arzu an, die nur wenige Meter von ihm entfernt in der Dienststelle der Deutschamerikanerin eine DNA-Probe entnahm. »Arzu, hör jetzt einfach zu. Der Schreiner, der den Baum gefällt hat, ist tot. Ich will mir das mal in Ruhe anschauen. Frag nicht. Sag nichts. Beschäftige die Truse und warte auf mich. Bin gleich wieder da.«
Von Weitem sah er das Blaulicht. Auf dem Bürgersteig vor der Werkstatt des jungen Birmoser standen zwei Polizeiwagen und ein Bulli. Die Einfahrt war mit einem rot-weißen Flatterband abgesperrt. Quercher tastete in seiner Jacke nach seinem Dienstausweis. Ehe der junge Beamte in der grünen Uniform etwas sagen konnte, hatte er sich ausgewiesen, sich unter dem Band hindurchgebeugt und war die Treppen zu der Werkstatt hinaufgegangen. Zwei Männer in weißen Schutzanzügen kamen ihm entgegen. Er nickte. Spurensicherung, dachte Quercher noch, als er den Kollegen Straßberger von der Polizeistation Bad Wiessee erkannte. Der metallische Geruch von Blut schoss Quercher in die Nase. Straßbergers Gesicht war weiß wie eine Wand.
Dann sah er nur noch Rot.
»Was ist passiert?«, fragte Quercher leise in Richtung Straßberger, während er dabei versuchte, jedes Detail des Tatorts aufzunehmen.
Straßberger räusperte sich, winkte ihn zu sich. Langsam rückwärtsgehend, kam Quercher zu ihm.
»Heute Nacht beschwerten sich Nachbarn über den Lärm aus der Werkstatt vom Birmoser Andi. Nicht das erste Mal. Trotz der Kurzone, in der die Werkstatt liegt, und der damit verbundenen Ruhepflicht ließ der Anderl immer wieder die Kreissäge auch abends oder nachts laufen. Meist, weil ein Auftrag dringend fertig werden musste. Wir schickten eine Streife hin. Das war gegen ein Uhr morgens. Und die fanden ihn so.«
Straßberger rang nach Luft und übergab Quercher Bilder des Tatorts. Andreas Birmoser lag hinter der Formatkreissäge, die aus einem drei Meter langen Metalltisch bestand, aus dem ein
Weitere Kostenlose Bücher