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Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Titel: Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
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Straßen. Wenn es schon hier zu einem solchen Ausnahmezustand gekommen war, wie erst musste es Quercher am Alpenrand gehen, dachte Pollinger, als er hinauf zur Theatinerkirche sah. Pollinger trug keine Armbanduhr. Die Kirchturmuhr schlug zur halben Stunde. Dann würde sein Mann also schon an seinem Schreibtisch sitzen. Pollinger wackelte über die Straße, vorbei an Schaufenstern, hinter denen obszön teure Autos standen, und zeigte den Polizisten des Innenministeriums seinen Dienstausweis.
    Der junge Referent Dr.   Alexander von Stock war der heimliche Star in diesem Haus. Mit dem besten juristischen Examen des Landes, mehreren Auslandsaufenthalten und einer herausragenden Analysefähigkeit ausgestattet, war er binnen weniger Jahre zum engsten Vertrauten des Ministers aufgestiegen. Wer einen neue Posten, bessere Ausstattung, das Okay für verdeckte Ermittlungen haben oder einfach seine Karrierechancen verbessern wollte, kam an diesem blitzgescheiten Zerberus nicht vorbei.
    Aber wie immer musste man auch ihm etwas geben.
    Pollinger hatte ihm einst einen Mitschnitt aus einem Schwulen-Darkroom am Gärtnerplatz überreicht, den eine Überwachungskamera aufgenommen hatte. Dem jungen Doktor steckten, auf dem Video gut sichtbar, zu viele fremde Geschlechtsteile in diversen Körperöffnungen. Pollinger hatte ihm väterlich von weiteren Eskapaden an derartigen Orten abgeraten und das Originalmaterial zur Verfügung gestellt.
    Pollinger war kein Erpresser. Er half eben gern. Das würde Dr.   von Stock nie vergessen.
    Von Stock trug einen grauen maßgeschneiderten Anzug, dessen Hose eine Spur zu eng im Schritt saß. Alles andere war tadellos, wie Pollinger fand. Das Büro war nicht kühl, es war kahl. Keine Zimmerpflanze, wenig Akten auf dem Tisch, zwei Stühle – das war alles. Von Stock begann seine Arbeit jeden Morgen pünktlich um 06.45   Uhr. So vermied er, mit dem Pöbel in der U-Bahn eingezwängt am Odeonsplatz ausgespuckt und gar in lästige Gespräche über Krankheiten oder Kinder verwickelt zu werden. Er genoss es, über die leeren Gänge des Ministeriums zu gehen, in der verwaisten Kaffeeküche seinen Ingwertee aufzusetzen und dann in Stille die Akten seines Chefs vorzubereiten. Nie wollte er mehr, aber auch nie weniger. Erst mit dem Trampeln der Kollegen eine Stunde später war es mit der Ruhe vorbei. Aber dann standen sowieso die ersten Termine mit dem Minister an, einem zweifellos intellektuell überschaubaren, aber nützlichen Vorgesetzten, der ihm blind vertraute.
    »Was darf ich Ihnen anbieten, Dr.   Pollinger? Etwas Magenschonendes vielleicht?«
    Pollinger reagierte nicht auf die Spitze. Der junge Kollege wollte es wissen. Bitte.
    »Nein, ich bin schon versorgt. Aber meinem Freund da drinnen ist das mittlerweile sowieso egal. Mein Arzt glaubt übrigens, dass Krebs von einem Virus übertragen wird wie die Grippe, die Pocken oder …«, er machte eine Pause, setzte sich dann stöhnend auf den Schwingstuhl, »… oder eine Immunschwächeerkrankung wie HIV.«
    Von Stock verstand. Pollinger wollte etwas. Der junge Referent hatte seine langen Finger gefaltet, die Fingerspitzen zum Mund geführt und dann versonnen den Kopf gewogen. Das war seine Art, die Kontrolle zu behalten. Zu gerne hätte er dem abgetakelten und todkranken LKA-Direktor seine Meinung über so verfettete und nutzlose Wesen wie Pollinger ins Gesicht gespuckt. Der Mann vom LKA stand für das alte Bayern, das Land der Spezlwirtschaft, der verkrusteten und inzestuösen CSU. Von Stock aber wollte eine schlagkräftige, moderne und dennoch konservative Bewegung an der Macht sehen, wie sie der Freund und Baron im Fränkischen, von Stocks Heimat, verkörperte. Pollinger wollte ihn provozieren. Doch von Stock blieb ruhig.
    »Aber es ist nur eine Theorie, nicht wahr? Und letztlich egal, wenn man daran stirbt.«
    Pollinger sah in die Andeutung eines Lächelns. »Lassen wir das Scherzen, Herr Referent. Es geht um eine heikle Angelegenheit, die der Staatsregierung zwischen den Jahren Schwierigkeiten bereiten könnte. Es reicht in die Zeit der Regierung unseres früheren Ministerpräsidenten zurück. Dieser hat, so meine Informationen, mit dem BND in Pullach Geschäfte gemacht, Immobiliengeschäfte, um genau zu sein. Das war bislang Verschlusssache, ging keinen etwas an, wusste ja auch keiner. Nur jetzt ist da eine Leiche gefunden worden. Und die wiederum, nun ja, die könnte die ganze Geschichte wie Phönix aus der Asche steigen lassen.«
    Pollinger

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