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Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Titel: Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
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genervt, die jeden Wurf mit Klugscheißersprüchen aus dem alten Fundus kommentieren mussten.
    Aber er war nicht zum Spaß hier. Dort drüben standen sie zusammen, Schlickenrieder, Brunner und Stangassinger. Sie tranken etwas Heißes aus einer Thermoskanne, während ein Platzwart mit einem Unimog, an dem ein Riffeleisen befestigt war, das Eis aufraute.
    Der Schneefall hatte eine Pause eingelegt. Still standen Quercher und Hannah am Rande der Eisfläche und blickten in einen makellos blauen Himmel, der nur von dem schnurgeraden Kondensstreifen eines Flugzeugs durchschnitten wurde. Quercher hatte beschlossen, Hannah nichts von den Erkenntnissen des frühen Morgens zu erzählen, solange er nicht wusste, wie er sie zu interpretieren hatte.
    »Es ist so schön, als ob Walt Disney das alles entworfen hätte«, flüsterte Hannah.
    Quercher nickte, sah sich um und atmete tief ein und wieder aus, sodass sich eine riesige Wolke aus feuchtem Atem vor seinem Mund bildete. Zum ersten Mal seit Jahren war er nicht von diesem Ort abgestoßen, genoss ihn fast, hegte ein nie zuvor da gewesenes Gefühl des Stolzes, das er sofort wieder vertreiben wollte.
    Er musterte die drei Männer vor ihnen. Zwei Flutlichtmasten ließen trotz des Tageslichts die Eisfläche glitzern. Schlickenrieder, groß und zweifellos gut in Schuss, lachte laut. Auf seinem Kopf thronte ein schwarzer Filzhut. Er trug eine enge Jeans und eine gelbe Steppjacke mit Kunstpelzbesatz. Alles an ihm schrie: Ich will jung sein. Anders Brunner. Obwohl er im gleichen Alter wie Schlickenrieder war, trug er einen langen grünen Lodenmantel und kräftige braune Stiefel. Ähnlich war auch der deutlich kleinere Bürgermeister gekleidet. Von Weitem wirkte es, als ob Brunner und Schlickenrieder auf den Politiker aufpassen müssten.
    »Kennst du die da alle?«, fragte Hannah.
    Quercher nickte. »Die großen Tiere? Ja, ein Hund, ein Schaf und ein Schwein.«
    Hannah sah ihn nur verwundert an.
    »Eine etwas grobe Charakterisierung, gebe ich zu. Also … Der Große da, in der gelben Jacke, das ist der Elektriker Josef Schlickenrieder. Eindeutig der Hund. Ich bin mit ihm zur Schule gegangen.«
    »Du bist wohl mit ziemlich vielen hier zur Schule gegangen, oder?«
    »Na ja, ich gehörte zu den geburtenstarken Jahrgängen. Viele haben das Tal nicht verlassen. Und wenn ich hierherkomme, dann läuft man sich über den Weg. Schlickenrieder ist ein gefährlicher Bauernschlauer. Ein klassischer Emporkömmling, verbittert, dass er es ›nur‹ zum Handwerker gebracht hat, will er immer bei den Großen und Reichen dabei sein. Neigt zur Gewalt, riecht unmittelbar die Schwächen anderer und beißt wie ein Rottweiler sofort und gnadenlos zu. Ich habe ihn vor Jahren mal erlebt, wie er auf einem der Waldfeste, so eine Traditionsnummer im Sommer hier im Tal, einen jungen Typen, der seine Frau angebaggert hatte, verprügelt und in den See geworfen hat. Seine Frau, die Elli, kenne ich ganz gut.« Er schwieg für einen kurzen Augenblick.
    Hannah war versucht, nachzufassen, spürte aber, dass es ein ungünstiger Zeitpunkt war.
    »Schlickenrieder will aus dem Mief des Handwerks heraus. Und das Projekt hier am See kann sein großer Durchbruch sein. Der geht über Leichen. Da war noch so eine Geschichte. Anke hat sie mir mal vor Jahren erzählt. Einem Kunden aus München, irgend so einem Beratertyp, hat er die Villa komplett mit allem Elektronikzeug ausgebaut. Aber der Berater hat nicht gezahlt. Dann brannte die Bude ab. Niemand konnte Schlickenrieder etwas nachweisen. Vielleicht aber wollte es auch keiner.«
    »Und der Bürgermeister daneben? Schwein oder Schaf?«
    Quercher wog den Kopf. »Eher Schaf. Er ist erst seit Kurzem im Amt, aber schon lange in der lokalen Politik tätig. Seine Partei ist hier in Bayern seit Ewigkeiten an der Macht. Nur Stangassingers Vorgänger war für eine Periode als Parteiloser am Drücker. Stangassinger hat sechs Jahre lang wirklich alles getan, um den Mann zu zermürben. Obwohl der die Modernisierung erst angestoßen hatte, schreibt sich heute Stangassinger alles auf seine Fahnen. Ein ehrgeiziger, aber nicht so bösartiger Mann wie Schlickenrieder. Daneben aber steht der wirklich Böse, ein Schwein eben. Der in diesem grauenhaften Mantel und mit den zurückgegelten Haaren. Das ist Brunner. Der kommt aus München, hat hier am See mit Immobilien ein Vermögen gemacht. Den kenne ich kaum. Aber man sagt, dass man an dem nicht vorbeikommt, wenn man hier ein teures Grundstück

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